2. Vortrag: Über die Beichte
Montag Abend, 10. September 1883
Meine Kinder, ihr musstet euch während des Tages beim lieben Gott sammeln, den Heiland finden und eure Seele bei ihm ausruhen lassen. Dafür werden euch die Exerzitien gegeben. Das ganze Jahr habt ihr harte, mühsame Pflichten erfüllt, die eure Kräfte verbrauchten und euch in die Notwendigkeit versetzten, sie zu erneuern. Sammelt euch weiterhin und nützt alles, was euch der liebe Gott geben wird.
Heute Abend werde ich euch alles sagen, was ich über die Beichte denke. Wie muss eine Oblatin beichten, um aus diesem Sakrament nutzen zu ziehen? Durch die Gnade Gottes ist es euer Wille gut zu beichten, aber es sind besondere Regeln zu befolgen, es sind Regeln des Geistlichen Direktoriums. Da ihr nicht alle dazu bestimmt seid, im selben Haus zu leben, da eine gewisse Anzahl von euch hierhin und dorthin geschickt wird, gestatten die Umstände nicht immer, dass ihr Beichtväter habt, die mit den Gebräuchen des Ordenslebens vertraut sind. Es ist also wesentlich, dass ihr euere eigenen Regeln habt, um zu beichten, und dass ihr nicht davon abgeht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich betrachte die Beichte als ein sehr mächtiges Mittel, um uns im Guten zu bewahren, wenn es uns nützt. Es ist das kräftigste Mittel, um uns von unseren Schwächen zu heilen.
Für die Beichte habt ihr eine Regel zu befolgen. Diese Regel entnehme ich dem Geistlichen Direktorium. Sie mögen bei ihren Beichten kurz und klar sein, heißt es dort. Ihr beichtet, um zu beichten, um eure Fehler anzuklagen. Aber für eure Lebensführung findet ihr für gewöhnlich, was ihr braucht, in den Ordensregeln, in eurem Geistlichen Direktorium. Der geistliche Führer einer Oblatin ist ihr Geistliches Direktorium. Ohne Zweifel, wenn ihr einen inneren Schmerz, eine Schwierigkeit habt, die nur euer eigenes Gewissen und nicht die anderen betrifft, könnt ihr nicht nur, sondern müsst ihr sie sagen. Doch wenn ihr treu seid, wird euch das selten passieren. Da ist eine Mitschwester, die sich ihren heiligen Stand zu Herzen nimmt. Sie sagt sich: „Ich muss mein Geistliches Direktorium von früh bis spät üben.“ Was fehlt ihr? Nichts. Muss sie um viele Ratschläge bitten? Aber nein. In ihren Schwierigkeiten wendet sie sich an Gott, an ihren Schutzengel. Aber da ist eine Mitschwester, die sich einen Fehler vorwerfen muss, etwas, das ihr Gewissen berührt, muss sie es ihrem Beichtvater sagen? Ja, das ist selbstverständlich. Sie hat eine große Versuchung, eine ernste Schwierigkeit, muss sie es sagen? Sicherlich. Aber sie wird ihren Beichtvater nicht fragen: „Wie soll ich meine Betrachtung machen?“, da dies angegeben ist. „Wie muss ich meine Oberin, meiner Amtsschwester gehorchen?“ Das ist angegeben. „Wie muss ich einen bestimmten Punkt der Ordensregel üben?“ Das ist ebenfalls angegeben. Alles, was man machen muss, ist angegeben, das ist gewöhnlich leicht zu verstehen. Ich spreche nicht von den Beichten, die ihr bei unseren Oblatenpatres ablegt. Sie kennen das Geistliche Direktorium ebenso gut wie ihr. Ich spreche von den Beichtvätern im Allgemeinen, wenn ihr bei irgendeinem Weltpriester beichten müsst. Ich spreche ganz allgemein ohne besondere Fälle auszuschließen, wenn eine Seele das Bedürfnis empfindet, sich einem Priester mehr zu öffnen, dessen Erfahrung und Erleuchtung sie kennt.
Möge jede gut verstehen, was unser seliger Vater [Franz von Sales] sagt: Sie werden bei ihren Beichten kurz und klar sein. Es wäre nicht notwendig, dass eine Oblatin gewöhnlich länger als fünf Minuten beichtet. Sie muss ihre Fehler kurz und klar sagen. Es steht jedoch frei, sich seine Zeit zu nehmen, wenn es nötig ist, da der heilige Franz von Sales sagt: Sie sollen nicht so kurz sein, dass sie zu sagen vergessen, was nötig ist, um sich gut zu erklären …
Was soll man also beichten? Ich wiederhole es: man soll kurz und klar beichten. Ihr habt eine Betrachtung durch einen Fehler versäumt. Ihr ward willentlich zerstreut, ihr wurdet ungeduldig, es fehlte die Nächstenliebe in euren Gedanken, in euren Worten, ihr habt nicht darauf geachtet, den Gehorsam wie angegeben zu leisten. All das kann mit wenigen Worten gesagt werden. Man soll einfach das Wesen der Dinge erklären, ohne auf große Einzelheiten einzugehen.
Gewiss verstehe ich, dass es Augenblicke gibt, wo man ein kleines Wort braucht, das Kraft gibt. Meine Kinder, dieses kleine Wort wird euch nicht fehlen. Der liebe Gott wird es eurem Beichtvater in den Mund legen, wenn ihr treu seid. Aber fordert nicht Trost, der liebe Gott wird ihn euch spenden, wenn es nötig sein wird, ohne dass ihr euren Beichtvater über euren Zustand rührt. Ihr versteht wohl meinen Gedanken, ich führe ihn nicht weiter aus. Der heilige Franz von Sales sagt: Sie sollen nicht schmachtende, sondern starke und großmütige Töchter sein.“
Warum sage ich euch das? Weil es nützlich ist, dass ihr es wisst. Wer ist euer Tröster? Er ist unser Herr. Wer ist euer Freund? Es ist unser Herr. Eure Stütze, eure Hilfe? Es ist wieder unser Herr. „Aber ich sehe ihn nicht, ich fühle ihn nicht!“ Macht einen halben Tag der Treue und ich verspreche euch, dass der liebe Gott zu euch zurückkommen wird. Ihr werdet ihn sehen, ihr werdet ihn fühlen.
Wenn ich euch fordernd erscheine, meine Kinder, so habe ich Gründe dafür. Es ist Zeit, dass ihr wisst, worauf ihr euch eingelassen habt, als ihr Oblatinnen wurdet. Die Gute Mutter Marie de Sales Chappuis hat mir gesagt, dass es bei den Oblatinnen eine so große Treue zur Gnade und zur Beobachtung der Ordensregeln geben wird, dass man bei ihnen den wahren Geist des heiligen Franz von Sales finden wird. Lasst euch also wohl nach eurem Geistlichen Direktorium ausbilden. Es wird aus euch Oblatinnen machen und euer Ordensleben erleichtern. Ihr müsst eure Berufung schätzen. Wenn ihr doch sehen würdet, wie die Oblaten dieses Leben verstehen, wie sie es zu ihrer Grundlage machen wollen, wie sie fühlen, dass es etwas ganz Übernatürliches ist! Der heilige Franz von Sales sagt selbst, dass er das Geistliche Direktorium nicht aus seinem eigenen Kopf nahm, sondern dass der Heilige Geist es ihm eingab.
Meine Kinder, ihr findet mich manchmal ein wenig streng, aber wisst, dass ich für euch eine sehr schwere Verantwortung habe. Ich weiß, was unser Herr von mir will, ich weiß, was mir unser Heiliger Vater, der Papst, sagte, ich weiß, was mir die Gute Mutter versprochen hat. Ich muss euch also veranlassen, die Ordensregel zu beobachten. Wenn man sich ihr getreu anpasst, macht man sich auf den Weg zum Himmel, hat man einen Vorgeschmack des Paradieses auf Erden. Ich glaube, ihr versteht mich gut.
Ich sage euch das alles bezüglich der Beichte, damit ihr euch dem heiligen Gericht immer mit einer großen Losgelöstheit von euch selbst und einem ganz übernatürlichen Geist nähert. Man soll da keine fühlbaren Tröstungen suchen. Man kann um eine Hilfe für seine Seele bitten, aber wenn das weiter geht, so hört und folgt die Tochter sich selbst. Und wenn man so handelt, sucht man nicht mehr den lieben Gott, sondern sich, weil man den Empfehlungen des heiligen Franz von Sales nicht Rechnung trug. Man suchte in der Beichte die persönliche Befriedigung, den Trost jenseits dessen, das im Augenblick nötig war. Nähert euch also dem Sakrament der Buße in den Anlagen, die ich euch angebe, und ihr werdet immer eine neuer Erleuchtung finden, um euren Weg fortzusetzen. Die Beichte ist für mich ein unvergleichliches Licht. Ich finde dort alles, was ich brauche. Ich empfange dort alles Nötige. Glaubt auch an die Gnade des Sakramentes, verderbt sie nicht durch irgend eine Suche eurer selbst, seid wahre Töchter unseres seligen Vaters [Franz von Sales].
Man muss in der Beichte klar sein. Macht es euch zur Gewohnheit, eure Fehler zu sammeln. Ihr habt viele Verfehlungen begangen, sagt, dass es euch an Mut, an Energie fehlte. Ihr werdet ein kleines Wort erhalten, das euch wieder aufbaut. Aber bleibt dort, geht nicht weiter, sonst macht ihr Menschliches, das ist nichts wert. Man hat euch soeben eine Perle gegeben, ihr verlangt etwas anderes, man füllt euch die Hand mit Kieselsteinen. Die Perle geht verloren und ihr habt nichts mehr.
Meine Kinder, ich lese das Geistliche Direktorium weiter: Sie werden etwas hinzufügen, was sie der Welt gemacht haben … der heilige Franz von Sales will nicht, dass man auf die schwersten Fehler zurückkommt, die die, deren Erinnerung einen ärgerlichen Eindruck erwecken könnte, der liebe Gott hat sie verziehen, man soll nicht darauf zurückkommen. Es genügt, sich eines Fehlers anzuklagen, der offensichtlich Sünde ist. Unser seliger Vater [Franz von Sales] fügt hinzu, dass man seine Fehler nicht auf andere zurückwerfen soll. Sie sollen sich wohl hüten, sich des Fehlers der anderen mit ihren anzuklagen. Sagt also nicht: „Ich habe nicht gehorcht, weil mir unsere Mutter Oberin etwas zu Schweres befahl, oder das nicht in Ordnung war“, oder auch: „Ich kann mich mit einer bestimmten Schwester nicht verstehen, sie hat einen zu schwierigen Charakter.“ Man darf nie jemanden anklagen, weil man dann gegen die Nächstenliebe fehlt. Das ist sehr wichtig, meine Kinder. Heißt das, dass man gegen seinen Beichtvater zurückhaltend sein soll? Für die begangenen Fehler sicher nicht, da der Beichtvater die Macht hat, die Sünden zu verzeihen, aber bei den anderen Dingen muss man sehr vorsichtig sein und nicht versuchen, euch gegen eure Oberinnen Recht zu geben. Ich erinnere mich nicht, je einer Untergeordneten gegenüber ihrer Oberin Recht gegeben zu haben. „Aber meine Oberin hat mir das gesagt …“ Glaubt ihr an die Autorität der Oberin? Sie kann sich irren, sicherlich, aber außer wenn ihr Befehl gegen das göttliche Gesetz oder die Ordensregel ist – was Gott verhüte! – werdet ihr euch nie irren, wenn ihr gehorcht. Seid dessen sicher.
Versteht es gut, meine Kinder, der Beichtvater hat die Aufgabe, eure Sünden zu hören und euch entsprechende Hinweise auf eure Fehler zu geben. Ihr werdet bei ihm in dieser Beziehung immer finden, was ihr braucht. Ich habe immer alles gefunden, aber ich habe nie eine Meinung über meine Oberen verlangt. Hört das alles gut, meine Kinder, und behaltet es für immer, damit man später es weiterhin so macht, so lange die Kongregation bestehen wird. Beichtet gut und eure Beichtväter werden euch helfen und für euch beten, sie werden für euch eine väterliche Zärtlichkeit vermischt mit Verehrung haben.
Vermeidet jedoch so weit wie möglich, euch auf Fragen einzulassen, die nicht zur Beichte gehören. Wenn ihr von der Handlungsweise eurer Oberin und eurer Mitschwestern sprecht, so ist das keine Beichte mehr. „Aber ich bin verwirrt, ich verstehe nicht, ich brauche Erleuchtung.“ Das ist gut, bittet unseren Herrn. „Ich kann nicht beten, ich habe ein trockenes Herz.“ Übt euer Geistliches Direktorium aus und ihr werdet die Erleuchtung bekommen. Bemerkt, meine Kinder, wie ich euch die Beichte abnehme. Ich lasse diese Dinge nicht zu. Ich bemühe mich, so viel kann, die Autorität zu unterstützen. Warum? Weil es so sein muss. Habt Vertrauen zu Gott und unser Herr wird euch zu Hilfe kommen. Die Ordensregel und das Geistliche Direktorium werden euch zu Hilfe kommen. Werdet ihr mir sagen, dass ihr sehr allein, sehr verlassen seid, dass ihr nicht habt, was ihr braucht? O doch, ihr habt wohl, was ihr braucht, dass das Geistliche Direktorium enthält alles. Es ist so leicht mit dem Geistlichen Direktorium. Ihr braucht zum Beispiel nur den Gedanken an den Tod zu nehmen und ihr werdet sogleich euren Weg finden. Ihr braucht nur im Refektorium eine Abtötung zu machen und ihr werdet sogleich in die Spur zurückkehren.
Handelt so, meine Kinder, seid zutiefst ernst und aufmerksam auf die Übungen des Geistlichen Direktoriums. Es werden also, wenn ihr beichtet, die Engel um euch sein, und unser Herr, der das Licht der Welt ist, wird eurem Beichtvater alles geben, was ihr braucht. Ihr werdet nicht die Tochter gemacht haben, ihr werdet den lieben Gott gesucht haben und ihr werdet ihn gefunden haben. Amen.