Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1880

      

11. Vortrag: Über die Zustimmung zum Willen Gottes

Samstag Vormittag, 25. September 1880

Meine Kinder, gestern sprach ich zu euch über den guten Geist, das heißt über diesen übernatürlichen Geist, der immer alles versöhnen kann, der immer den Willen des lieben Gottes annehmen kann, wie er sich kundtut. Denn schließlich ist alles von Gott gewollt oder zugelassen. Beklagt euch also nicht über etwas. Was der liebe Gott an unseren Weg stellt, was er sät, das Kreuz, die Dornen kommen offensichtlich von seinem Willen. Es sind so viele Mittel, die er uns gibt, um uns zu heiligen. Die zum Martyrium gehen und ihr Leben für unseren Herrn geben, nehmen den Tod wie etwas an, das von Gott kommt. Es ist nicht angenehm, die Todesstrafe zu erdulden, aber sie nehmen sie als ein Mittel an, das ihnen den Himmel öffnen soll.
Nehmt im selben Geist alles Peinsame an, das über euch kommt. So lebt ihr mit einer Mitschwester, die euch nicht passt. Wer hat sie dorthin gestellt? Der liebe Gott, um euch zu trainieren. Ihr habt eine Heimsuchung, die hart für euch ist. Wer hat sie zugelassen? Gott, um euch zu heiligen, damit ihr ihm angenehmer seid, und damit ihr einen schöneren Platz im Paradies bekommt. Er hat alles gemacht, um eure Wahl im Himmel vorzubereiten. Die sich über alles beklagt – ich spreche nicht von einem Wort, von einem ersten Gefühl, das man sehr schnell unterdrückt – wie wird Gott die retten, der es gefällt zu schwätzen, zu kritisieren? Indem er sie durch Wasser und durch Feuer gehen lässt. Ihr wolltet die Heimsuchung nicht annehmen, es wird sich eine viel stärkere einstellen. Der liebe Gott hat euch die Leiden zugeteilt, die ihr braucht, um euch zu heiligen. Ihr wollt sie nicht nutzen. Werdet ihr die Gnaden bekommen, die notwendig sind, um die Heimsuchungen zu erdulden, die dann kommen werden? Muss man nicht fürchten, dass Gott sie nicht mehr gibt? Der liebe Gott gab auf unseren Weg vor uns die Mittel, um zum Himmel zu gehen. Wir haben die Freiheit, sie zurückzuweisen, aber dann übernehmen wir die Verantwortung für die Folgen dieser Untreue. Wir werden unsere Lauheit durch viele beträchtliche Opfer wettmachen müssen. Vielleicht werden wir nicht die Kraft haben, sie anzunehmen, und dann kommen die Entmutigungen, die Zweifel an der Berufung. Wäre das nicht die Bestrafung für eure Starrköpfigkeit, sich euren Weg außerhalb dem zu bahnen, den die Hand Gottes für euch gebahnt hat?
Was wäre Tobias geschehen, wenn er die Hand des Engels verlassen hätte, der ihn führte? Er hätte am Ufer des Tigris den Tod gefunden, er wäre von dem riesigen Fisch verschlungen worden. Ihr vertraut euch nicht genug dem lieben Gott an! … O, wie hatte die Gute Mutter Marie de Sales Chappuis Vertrauen zu ihm! Sie sagte: „Ich nehme alles an.“ Sie hätte zehn Mal gebeichtet, wenn sie zehn Mal in sich den geringsten Schatten gegen diese Unterwerfung bemerkt hätte. Ihr wollt nicht, was der liebe Gott will. Er wird euch lassen, ihr werdet alle eure Schulden im Fegefeuer zahlen müssen. Wenn ihr jedoch die dargereichten Mühen annehmt, sichert ihr euer Heil, zahlt ihr, was der Gerechtigkeit Gottes gebührt.
Versteht das gut, meine Kinder. Viele Leute sind unwissend und glauben, dass Gott die Heimsuchungen zulässt, um uns zu quälen und uns Schmerzen zu bereiten. Das ist ein großer Irrtum. Ich sah immer, wie die gute Mutter Marie de Sales Chappuis inmitten der größten Schwierigkeiten, selbst der schmerzlichsten Ungerechtigkeiten für ihr Herz den Willen Gottes anbetete. Wenn es ihr manchmal passierte, dass sie sagte: „Aber dennoch …“, verlangte sie sogleich zu beichten, „denn“, sagte sie, „ich habe nicht sofort angenommen, was der liebe Gott wollte.“ So wird man Freundinnen des Heilands, so wird man wahre Nonnen. Ihr werdet nicht Heilige werden, indem ihr den Chinesen predigt oder bei den Klarissinnen eintretet, da das nicht eure Berufung ist. Der liebe Gott will von euch, dass ihr zu allem, was euch trifft „Ja, mein Gott“ sagt. Ich sage nicht, dass ihr das immer machen werdet. Es wird euch noch passieren, dass ihr euren Willen dem Willen Gottes vorzieht, aber sobald ihr es bemerkt, werdet ihr sogleich sagen: „Mein Gott, ich bitte dich um Verzeihung. Ich werde es bei der nächsten Beichte sagen.“ Und wenn der liebe Gott eure Demut sieht, wird er euch euren Fehler vergeben. Geht auf diesem Weg, meine Kinder, denn außerhalb wäret ihr nicht mehr auf eurem Weg.
Ihr wollt selbst gehen, ihr wollt eure Geschäfte nach eurem Gutdünken führen? … Man muss glaube, dass ihr sehr geschickt seid, dass ihr viele übernatürliche Erleuchtungen habt! Gebt euch also der Güte Gottes, seinem göttlichen Willen hin, und ihr werdet wahrhaftig seine Kinder sein. Warum würdet ihr ihm misstrauen? War er nicht genügend gut zu euch? „Der liebe Gott ist treu“, sagte der alte Onkel der Gute Mutter Marie de Sales Chappuis. Er begann alle seine Vorträge mit diesen Worten. Das prägte sich dem Geist der Kinder ein, und alle zehn wurden hervorragende Christen. Sie hatten verstanden, dass man alles, was der liebe Gott schickt, in aller Einfachheit und mit Liebe annehmen muss. Sie wussten wohl, dass er uns nicht täuschen will. „Seid ihr nicht gut zu euren Kindern?“, sagte unser Herr den Juden. „Wenn sie euch um einen Fisch bitten, werdet ihr ihnen dann eine Schlange geben? Oder einen Skorpion, wenn sie euch um ein Ei bitten? Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.“ (Lk 11,11-13).
Da ist etwas, das euch wie ein Stein erscheint, das ist hart. Überhaupt nicht, es ist das Brot der Liebe Gottes. Ihr glaubt, einen Skorpion zu finden. Es ist, was Gott euch schickt, um euch zu heiligen. Versteht gut. Ich wiederhole das oft, weil man es nicht gut genug versteht. Es wird euch das Gebet, die Treue zu dem, was Gott von uns will, verständlich machen. Also, meine Kinder, nehmt guten Mutes an, was euch vom Willen Gottes zukommt, entweder durch die Menschen oder die Ereignisse, weil es die Mittel sind, die Gott uns gibt, um uns schnell und sicher zur Vollkommenheit gelangen zu lassen. Der heilige Franz von Sales gibt uns die Versicherung von Seiten Gottes. Sagt also: „Der liebe Gott kann mich nicht täuschen. Werde ich mich seiner Liebe nicht anvertrauen? Sein Herz gibt mir die Mittel, mich zu heiligen. O, ich will alles aus seiner väterlichen Hand annehmen.“
Meine Kinder, bittet heute um diese Gnade auf die Fürbitte der heiligen Maura, dieser guten kleinen Heiligen, die euch liebt, euch beschützt und sich um eure geistlichen und weltlichen Interessen kümmert. O, bittet sie wohl um die Hingabe, die sie zum göttlichen Willen hatte. Dieser Hingabe verdankte sie diese große Gottesliebe, die ihr Herz erfüllte. Sie war von ihr so durchdrungen, das selbst alles, was sie berührte, eine besondere Kraft bekam, um den Seelen die Salbung der Gnade mitzuteilen, die in ihr war. Bischof Prudentius fühlte diese Gnade, wenn er das Chorhemd trug, das Maura gestickt hatte, und nicht nur er, sondern auch alle Priester, die es benützten. Seht, wie groß die Macht der Gottesliebe war, die in ihr war, da diese Kraft so sehr auf die Seelen einwirkte. Dennoch war die heilige Maura keine Nonne, sie war ein einfaches Mädchen, aber sie hatte sich aus ganzem Herzen Gott hingegeben, sie hatte nichts zurückbehalten, daher belohnte sie Gott so reichlich.
Machen wir wie die heilige Maura die Übung der Gleichheit und der Einheit unseres Willens mit dem Willen Gottes. Bitten wir sie zu verstehen, dass alles, was geschieht, vom lieben Gott gewollt ist. Die heilige Maura war nicht ohne Heimsuchungen. Ihre Frömmigkeitsübungen, die Wallfahrten, die sie barfuß machte, brachten ihr viel Verachtung ein. Der liebe Gott verschonte sie nicht mit Schmerz. Sie hat Vater und Mutter verloren. Ihr Weg war nicht von ihrem eigenen Willen gespurt, sondern vom Willen Gottes selbst. Bitten wir sie, dass sie für uns diesen Geist der Zustimmung zu Gott erwirkt, diesen so großen Glaubensgeist, der unter allen Umständen sagt: „Mein Gott, du hast es so gewollt“. Nach dem Beispiel unseres Herrn, der den Willen seines Vaters ohne alle Grenzen annahm, der heiligen Jungfrau, die auf der Hochzeit zu Kana sagte: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5), der Guten Mutter Marie de Sales Chappuis, die ich nie dabei überraschte, dass sie den Willen Gottes mit einem menschlichen Blick betrachtete. Wenn sie gezögert hatte, wenn sie einen Zweifel gehabt hatte, wenn sie gesagt hatte: „Wenn das anders gewesen wäre …“, kniete sie sogleich nieder, um den Heiland um Verzeihung zu bitten, da sie dachte, dass es ihr einen Augenblick an Vertrauen, an Hingabe an den göttlichen Willen gefehlt hatte.
Meine Kinder, das ist unser Geist, das ist, was wir machen müssen. Mögen jene hören, die Ohren haben zu hören. Mögen jene, die treu sein wollen, gut zuhören und der liebe Gott wird ihnen Verständnis schenken. Der liebe Gott spricht einmal, zweimal. Dann sagt er nichts mehr. Fürchtet Jesus, der vorbeigeht. Achtet sehr darauf, nicht die kleinste Eingebung der Gnade zu verlieren. Die Heiligen hatten ihre Heimsuchungen. Sie nahmen sie an, indem sie sagten: „Gott will es.“ Wenn auch ihr sogleich den Willen Gottes annehmt, seid ihr auf dem rechten Weg. Wenn ihr ihn nicht annehmt, ist der liebe Gott nicht verpflichtet, zurückzukommen.
Achtet also gut darauf und macht euch während dieser Exerzitien daran. Ich flehe euch an, es aus Liebe zu unserem Herrn zu tun. Ihr müsst beginnen, euch bewusst zu machen, warum ihr gegründet seid. O, wie schmerzlich wäre ich berührt, wie viel Bitterkeit würde ich empfinden, wenn eine von euch sagte: „Ich kann nicht.“ Versetzt euch im Geiste, meine Kinder, ans Grab unserer lieben kleinen Maura, sagt ihr: „Sprich zu uns, belehre uns, unsere Herzen wollen Gott lieben wie deines. Beschütze uns, bete für uns, damit wir deine Nachfolgerinnen auf Erden sind, damit wir wie du etwas Gutes tun, und dass wir eines Tages wie du den lieben Gott im Himmel sehen.“ Amen.