3. Vortrag: Über die Beichte
Mittwochvormittag, 11.02.1874
Meine Kinder, eines der wirksamsten Mittel, um sich den Frieden und die Ruhe der Seele zu erhalten, ist, sagt der hl. Franz von Sales, das Sakrament der Buße. Ihr beichtet oft, ihr müsst also wissen, wie eine Oblatin beichten soll.
Zuerst muss man das „Confiteor“ (Anm.: „das Schuldbekenntnis“) beten, wenn man seine Gewissenserforschung macht. Es ist auch eine gute Übung, die Formel des Aktes der Reue zu beten, bevor man beichtet. Man könnte in diesem Augenblick auch seinen Akt der Reue machen, ohne Worte auszusprechen. Aber im Allgemeinen ist es leichter, den Akt zu sagen, der den Gefühlen der Seelen hilft.
Was soll die Beichte einer Oblatin sein? Unser seliger Vater sagt im Direktorium, ich formuliere nur seine Wünsche. Er will, dass wir uns vorher darauf vorbereitet haben und vor allem fromm durch unsere täglichen Gewissenserforschungen. Wenn der Augenblick der Beichte gekommen ist, sollt ihr euch an eure Fehler erinnern und die entsprechende Zeit eurer Gewissenserforschung widmen. Da ihr alle acht Tage beichtet, genügen acht oder zehn Minuten.
Für die Beichte an sich muss die Oblatin einfach und kurz in ihrer Anklage sein. Haltet euch alle daran, meine Kinder. Die Beichte soll kurz sein, d.h., ohne zu viele Einzelheiten. Z.B. habt ihr gegen die Regel, den Gehorsam gefehlt. Wenn es aus Stolz ist, muss man sagen: „Ich habe aus Stolz gegen den Gehorsam gefehlt, weil ich nicht glaube gut zu machen, was ich mache, und gut zu sagen, was ich sage. Wenn ihr einen Fehler gegen die Regel aus Nachlässigkeit, aus Missachtung gemacht habt, so ist das nicht gut. So ist das Motiv, das ihm euch begehen ließ, wahrhaftig ein Fehler. Die Verfehlung ist schlecht, aber die Anlage ist noch mehr. „Man muss“, sagt der hl. Franz von Sales, „nicht nur seine Verfehlung anklagen, sondern auch die Anlage, mit der ihr sie gemacht habt, wenn diese Anlage die Natur des Fehlers ändert. Man muss also die Motive sagen, die euch eure Verfehlungen machen ließen, denn ein Fehler ist mehr oder weniger schwer, wenn die Ursache es mehr oder weniger ist. Wenn wir nur unsere Fehler sagen, lassen wir uns weniger erkennen, als wenn wir die Motive hinzufügen, die uns sie begehen ließen, denn dann bekämpft die Beichte den Grund unserer Fehler. Man muss“, ich wiederhole es, „sich nicht nur seiner Fehler, sondern seiner Anlagen anklagen.“
Wir klagen uns ziemlich leicht unserer Fehler an, aber nicht der Ursachen. Man sagt, dass es im Garten Unkraut gibt. Man schneidet es ab und damit ist es getan. Aber wenn man bemerkt, dass dieses Unkraut im Garten wächst, weil der Gärtner faul und nachlässig ist, ist es ganz anders. Das gilt ebenso für unsere Fehler, wenn wir sie aus Nachlässigkeit, Faulheit oder Stolz machen, ist nicht dasselbe. Der hl. Franz von Sales sagte: „Klagt euch an, aus Eitelkeit gelogen zu haben“, und nicht einfach gelogen zu haben. Die meisten Fehler der Nonnen sind gering, weil diese Fehler nicht auf Verfehlungen gegen das Gesetz Gottes beruhen oder wenigstens sind sie wenig wichtig und würden in den Augen der Welt unbemerkt bleiben. Aber das Motiv, das uns einen Fehler begehen lässt, klagt unseren Fehler aus fehlender Sorgfalt, Wachsamkeit über uns selbst, Abtötung oder Demut an. Das ist vor allem schlecht und muss gesagt werden. Denn in dem Maße wie die Anlagen sehr schlecht sind, können es auch die Fehler sein.
Die Beichte einer Oblatin soll kurz, einfach, klar und vollständig sein. Das ist nicht leicht, weil wir uns Illusionen machen: wir halten uns immer für besser als wir sind. Der liebe Gott lässt es so zu, damit wir nicht den Mut verlieren.
Eine Oblatin muss ihre Beichte auch fromm machen. Wenn wir die hl. Kommunion empfangen, müssen unsre Seelen gesammelt sein, um unseren Herrn gut aufzunehmen. Nun, gut…in der Beichte empfangen wir auch den Heiland, obgleich es nicht in derselben Art ist. Wir beichten zu Füßen des gekreuzigten Jesus, der auf Kalvaria stirbt. Er wendet uns sein Blut, seinen Tod zu. Um uns daran zu erinnern, gibt man Kruzifixe in die Beichtstühle. Wenn wir zum Gericht der Buße gehen, müssen wir zu Füßen von Kalvaria gehen mit den Anlagen der beißenden Magdalena, die aus unseren Augen einige Tränen der Reue fallen lässt, den lieben Gott darum zu bitten und mit dieser Heiligen die Vergebung unserer Fehler erflehen, indem wir mit ihr sagen: „Oh Herr, ich habe mich von dir entfernt, aber ich werde es nicht mehr tun. Wende mir die Verdienste deines Leidens, deines letzten Atemzuges, des letzten Klopfen deines Herzens zu, damit ich die Ruhe und den Frieden wieder bekomme, die ich verloren habe, und ich von nun an ganz dir gehöre!“
Meine Kinder, hört gut zu, was ich euch sagen werde. Vermeidet die Versuchung, die euch ergreift, wenn ihr beichtet. Die Beichte soll kurz sein, aber die Ergebnisse müssen mächtig und sehr wirksam sein, um wahre Oblatinnen zu sein, müsst ihr die Tugenden haben, die sie charakterisieren müssen und besonders die Selbstvergessenheit.
Wie soll also das Leben der Oblatin des hl. Franz v. Sales sein? Da die Oblatin keine großen äußerlichen Abtötungen hat, muss sie umso mehr innerlich sich selbst sterben. Also, versteht es wohl: alles, was euch berührt, soll nichts für euch sein, ihr sollt nicht mit euch selbst sein, an euch denken. Wenn Gott euch Tröstungen schenkt, ist es gut. Wenn er sie euch entzieht, ist es noch besser. Ist euer Leben schwierig? Nein. Ist es hart? Nein. Mühsam? Oh, ja, gewiss, denn es ist mühsam, sich nicht mit sich beschäftigen. Es ist mühsamer als barfuß zu gehen! Das ist sehr ernst, meine Kinder. Ihr werdet mir sagen: „Warum ist das so?“ Weil unser Herr dem hl. Franz von Sales zeigte, wie angenehm ihm diese Lebensweise war.
Deshalb sollen eure Beichten kurz sein. Denn, wenn ihr euch zu sehr mit euch selbst beschäftigt, beschäftigt ihr euch nicht mehr genug mit dem lieben Gott.
Ich werde euch einen Vergleich geben, der vielleicht ein wenig weltlich ist, der euch aber verständlich macht, was ich euch sage. Ein Mädchen hat ihren Verlobten gern, sie spricht von ihm, weil sie ihn liebt. Wenn sie von ihm lange und oft spricht, wird sie schließlich von ihm eher wegen des Vergnügens sprechen, das sie dabei empfindet, als wegen der Zuneigung, die sie ihm entgegenbringt. Das gilt ebenso für eine Oblatin. Wenn sie viel von ihren Zuneigungen zu Gott spricht, so weil sie ihn liebt. Wenn sie aber ständig von ihm spricht, ohne für ihn Opfer bringen zu können, beweist das, dass sie sich viel mehr mit sich selbst beschäftigt als mit dem lieben Gott: denn wenn man den lieben Gott liebt, spricht man nicht von ihm, sondern man handelt eher für ihn.
Eine Oblatin soll sich mit dem lieben Gott beschäftigen, an ihn denken, alle ihre Handlungen so gut sie kann für ihn machen, alles im Augenblick annehmen, was ihr geschieht, alles, was ihr der liebe Gott schickt, ohne an sich selbst zu denken, ohne sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das ist sicher hart für die Natur, aber für die Seele ist nichts besser.
Der hl. Franz v. Sales hat das Savoyen-Gebiet evangelisiert, und er hat dort zahlreiche Bekehrungen erwirkt. Woran liegt das? Was verdankte er diese Macht über die Seelen? Seiner großen Abtötung, seiner völligen Selbstvergessenheit.
Aber ihr werdet mir sagen: „Was kann eine Oblatin bei der Beichte tun, außer an sich selbst denken?“ Tatsächlich müsst ihn, meine Kinder, an eure Sünden denken, um sie anzuklagen und zu bedauern, aber ihr müsst auch an denken. Denn, ich wiederhole es, eine Oblatin soll sich mit Gott beschäftigen. Sie soll diesen Gedanken an Gott zur Nahrung ihrer Seele, zu ihrer Seele, zu ihrem Brot, ihrem Getränke machen. Mit Gott soll sie sich nähren und tränken und nicht mit sich selbst.
Ich komme zum Schluss: Eure Beichte muss sehr demütig, vollständig, fromm, andächtig und zu Füßen des Kreuzes gemacht sein, wie es der hl. Franz v. Sales will. Es braucht also eine Oblatin keine langen Richtlinien. Für sie ist ihre ganze Führungslinie im Direktorium angegeben. Befleißigt euch dazu, und wenn ihr es gut geübt habt, wird man euch sagen, was ihr werdet machen müssen.
Meine Kinder, Gott soll alles für euch sein. Ich wiederhole es, euer Leben muss umso mehr innerlich sein, als ihr keine großen äußerlichen Abtötungen habt. Es ist notwendig, dass eine Oblatin die innere Abtötung hat. Ihr braucht sie umso notwendiger, weil ihr nicht klausuriert inmitten der Welt lebt, würdet ihr ihre Gewohnheiten annehmen, wäret ihr keine Nonnen mehr. Ihr würdet keine Oblatinnen sein, wenn ihr nicht innerlich abgetötet wäret. Das möge gut verstanden werden, liebe Kinder, und unser Herr möge euch seine Erleuchtungen und Gnaden gewähren.
Oh, wie liebt der Heiland die kleinen Seelen, die ganz ihrer selbst entblößt zu ihm kommen! Er liebt sie so sehr, dass er ihnen sein Herz schenkt. Hat er nicht einer wahren Tochter des hl. Franz von Sales, nämlich der seligen Marguerite-Marie Alacoque sein Herz offenbart?
Meine Kinder, bittet in dieser kleinen Kapelle, in der wir sind und die dem hl. Herzen geweiht ist, unseren Herrn um eine völlige Loslösung euer selbst, damit ihr die wahren Töchter seines göttlichen Herzens werdet. Amen.