4. Vortrag: Über die Beichte
Mittwochnachmittag, 29.09.1875
Meine Kinder, die Beichte einer Oblatin soll heilig sein, weil die Oblatin verpflichtet ist, in jeder ihrer Handlungen, in jedem ihrer Gefühle heilig zu sein, weil für sie die Beichte ein mächtiges Mittel ist, die Reinheit ihrer Seele zu bewahren und sich die Demut zu erwerben. Man muss also gut beichten, und um gut zu beichten, muss man zuerst eine Gewissenserforschung machen.
Wie viel Zeit muss man für seine Gewissenserforschung verwenden? Fünf bis zehn Minuten genügen, weil man jeden Tag seine beiden Erforschungen gemacht und die vorhergegangenen Erforschungen in seinem Gedächtnis eingetragen hat. So macht man, wenn man samstags, sonntags gebeichtet hat, seine zwei Erforschungen. Am Montag reiht man sie mit denen des Tages in seinem Gedächtnis ein, und so auch an den anderen Tagen. So genügen fünf bis zehn Minuten reichlich zur Vorbereitung seiner Beichte.
Vor seiner Beichte muss man sich mit Demut vor unserem Herrn sammeln, wie das Direktorium sagt. Der hl. Franz von Sales sagte, dass man sich am Fuße des Kreuzes halten und Gott um die Reue für unsere Fehler bitten muss. Dann betet man das „Confiteor“, damit man, wenn man zu Füßen des Priesters angekommen ist, nur noch sagen muss: „Benedic, pater, quia peccavi“ (Anm.: „Segne mich, Vater, weil ich gesündigt habe.“) und seine Sünden anklagen. Es müssen alle Schwestern, die Postulantinnen wie die anderen, diesem Brauch folgen. Das ist die Regel, das ist das Mittel, Zeit zu gewinnen.
Wie soll man beichten? Die längste Beichte ist nicht die beste. Ich sagte in diesen letzten Tagen unseren Schwestern der Heimsuchung: „Als ich zum Hausseelsorger der Heimsuchung ernannt wurde, gab mir Hochw. H. Chevalier einige Unterweisungen hinsichtlich jeder Schwester. Er sagte mir: ‚Es gibt mehrere, die lange beichten. Sr. Marie-Thérèse ist die kürzeste. Sie beichtet gut.‘ Das war nicht erstaunlich, Sr. Marie-Thérèse war die Leitern: sie sollte die anderen die Art, wie man beichten soll, lehren. Sie sollte wissen, wie man daran geht. Das ist ein Beispiel, das man vorschlagen kann und dem man folgen soll.“
(Anm.: „Mit dieser Sr. Marie-Thérèse ist die ‚Gute Mutter‘ Maria Salesia Chappuis gemeint.“).
Man muss bei der Beichte kurz sein. Heißt das, dass man nicht alle seine Fehler anklagen soll? Nein. Ich werde euch eine gute Methode geben. Ihr überdenkt die Art, wie ihr die die Sakramente empfängt, die Übung eurer Gelübde, alle eure Handlungen des Tages. Ihr seht, ob ihr bei der Betrachtung zerstreut wart, und ihr könnt hinzufügen: „Ich war zerstreut, weil ich nicht auf die Gegenwart Gottes achte: ich habe mich mit diesem oder jenem beschäftigt.“ Ihr macht die gleiche Erforschung für die hl. Messe, für die Mahlzeiten, für die verschiedenen Übungen des Tages, für die Nächstenliebe. Nach der Prüfung der Beobachtung der Ordensregel, über die Liebe, geht man zu den besonderen Fehlern über. Man sieht, ob man zu sich selbst zurückkehrte, ob man mit sich beschäftigt war. Man erforscht so alle Fehler des Tages, und das ist bald gemacht, denn nachdem man sich aufmerksam geprüft hat, klagt man sich einfach an. Deshalb sage ich, dass eine Oblatin in vier bis fünf Minuten beichten kann.
Meine Kinder, die Beichte muss kurz, innerlich und fromm sein. Wir müssen glauben, dass wir zum hl. Gericht wie zur hl. Kommunion gehen. Zum hl. Tisch gehen wir, um den Leib und das Blut unseres Herrn zu empfangen. Zum hl. Gericht gehen wir, um über unsere Seele den heiligmachenden Erguss seines kostbaren Blutes zu empfangen. Die fromme Beichte ist nutzbringend für die Seele. Der hl. Ludwig von Conzaga hatte für die Beichte eine ebenso große Frömmigkeit wie für die hl. Kommunion.
Es muss unsere Beichte auch aufrichtig sein. Wenn ich sage, dass eure Beichte aufrichtig sein muss, will ich nicht sagen, dass ihr Sünden verheimlicht. Nein, aber man muss sich in dem Sinn anklagen, wie ich soeben sagte: man muss angeben, was dem Fehler schwerer macht. Mit einem Wort, man muss sagen, was man ist. Man muss sagen, dass man aus Eigenliebe, aus Selbstsuche, aus seinem Charakter heraus gehandelt hat. Man muss sagen, dass man eine Neigung für dies, eine Abneigung für jenes hatte. Wir müssen das Motiv, den Grund unserer Fehler sagen. Wir müssen uns selbst gut kennen. Ihr seht, das ist leicht zu verstehen. Es ist nicht, als ob ihr in einem Buch zu lesen hättet, dass man diesen oder jenen Fehler sagen muss, aber ihr müsst euch selbst anklagen, das Motiv sagen, das euch (so) handeln ließ. Ihr müsst sagen, ob ihr zur Trägheit, zur Sinnlichkeit, zur Nachlässigkeit, zum Stolz getrieben seid. Ob ihr einen dominanten, stolzen Charakter habt, der findet, dass ihr immer Recht habt, und dass die anderen immer Unrecht haben. Ob ihr nachlässig seid. Ihr müsst sagen, ob es euch an Eifer für das Heil der Seelen fehlt. Ob ihr einen trägen Charakter habt, der sich um nichts kümmert, der einfach alles nur laufen lässt.
Meine Kinder, wir müssen uns gut gewahr werden, was wir sind, und sehen, welche Sünden auf der schlechten Grundlage hervorgehen, die in uns ist. Diese gut verstandene Beichte ist uns nützlich: sie ist demütigend, sie ist kurz, sie ist vollständig. Sie kostet uns etwas und gerade dadurch ist sie gut für uns. Es gibt welche, die trocken beichten, die immer dasselbe sagen, die immer in der gleichen Weise beichten. Sie haben ihre Methode. Diesen Fehler gibt es hier nicht, aber man muss sich davor hüten. Er entsteht vor allem, wenn man alt wird. Man beichtet auf diese oder jene Art. Manchmal beichtet eine alte Nonne ihre Fehler, aber sie sagt es, wie sie etwas anderes sagen würde. Sie macht ihre Beichte nach ihrer Idee, sie erfüllt die Pflicht der Beichte, das genügt ihr. „Aber, meine gute Schwester, welchen Nutzen wollen Sie aus einer mechanischen Beichte ziehen?“ Und dennoch machen es viele Nonnen so! Die jungen Nonnen beichten zärtlich, wenn sie einen jungen Beichtvater haben. Die alten Nonnen beichten trocken. Diese beiden Beichten sind eine nicht mehr wert als die andere.
Wie soll man also beichten? Wie ich euch gesagt habe: fromm, aufrichtig, kurz. Bemüht euch da sorgfältig, meine Kinder. Ihr versteht mich alle gut, nicht wahr? Kümmert euch nicht darum, ob es ein junger oder ein alter Beichtvater ist, einer, der euch gefällt oder einer, der euch nicht gefällt. Was macht das? Die Beichte ist etwas Heiliges, etwas äußerst Heiliges, und der Beichtvater ist der Stellvertreter Gottes. Ihr müsst zu ihm gehen wie zum lieben Gott, ihr sollt ganz einfach hingehen, in aller Demut. Die so verstandene Beichte wird eurer Seele gut tun.
Meine Kinder, hört gut zu, was ich euch sage, und jede wird mich verstehen. Man muss vermeiden, sich interessant zu machen. Die Frauen suchen sich vor allem bei ihrem Beichtvater interessant zu machen.
Beschäftigt euch nicht mit dem Interesse, das man euch entgegenbringen kann. Was macht das? Ich sage nicht, dass ihr, wenn ihr ein Wort des Trostes braucht, es nicht von eurem Beichtvater verlangen könnt. Wenn er es euch gibt, ist es gut. Aber man soll sich nicht interessant machen. Was man zu machen hat, ist (schlicht gesagt) beichten. Die Beichte ist keine Unterhaltung, kein Gespräch, keine Führung. Ich hoffe, dass der liebe Gott die Oblaten segnet, damit ihr bei ihnen beichten könnt. Ihr werdet bei ihnen die entsprechenden Hilfen finden, die euren Seelen nützen können. Ihr werdet in ihnen eine große Stütze haben.
Oh, meine Kinder, wenn ihr gläubig und fromm beichtet, werdet ihr reichlich finden, was ihr an Erleuchtungen und Gnaden braucht. Ich versichere euch, wenn ihr mit einer guten Absicht beichtet, mit einer sehr geraden Absicht, werdet ihr eine sehr große Erleuchtung finden. Oh, versteht mich gut! Man darf die Beichte nicht mit der Leitung gleichsetzen. Die Leitung, die man empfängt, kommt vom lieben Gott. Wenn ich euch die Beichte abnehme, gebe ich euch eine Führung. Zwar gebe ich sie euch nicht sehr ausführlich. Ich gebe sie euch nicht, wie ich möchte, weil ich nicht die Zeit habe, euch zu besuchen. Aber ich hätte das Recht dazu, weil ich euer Vater, euer Gründer bin. Der hl. Franz v. Sales gab sie den ersten Müttern der Heimsuchung. Die Leitung ist göttlich, meine Kinder: es ist nicht die Beziehung einer Seele zu einer anderen Seele, es ist nicht die Beziehung eurer Handlungen zu einer Seele, es ist die Beziehung eurer Seele zu Gott.
Versteht ihr es alle gut? Ich sage es euch, weil es sehr wichtig ist. Ich sage es euch eher für die Zukunft als für jetzt. Ihr müsst euch daran gewöhnen, sie auszuführen, wie euch angebe. Ich bestehe darauf, denn ich wünsche, dass ihr meinen ganzen Gedanken gut versteht. Die Beichte ist etwas Göttliches. Die Seele, die hingeht, um Gott zu finden, findet etwas so großes!
Der hl. Franz von Sales sagte, man müsse den Beichtvater als einen sichtbaren Engel betrachten, den Gott schickte, um die Seelen in Reinheit und Heiligkeit zu halten. Meine Kinder, ihr müsst euren Beichtvater als von Gott selbst Gesandten betrachten, auch zu seinen Füßen begeben und hören, was er euch sagt. Wenn man zum hl. Gericht nicht durch die Suche nach sich selbst, aus persönlicher Neigung geht, empfängt die Seele von Gott eine Gnadenfülle, sie ist wie von Gott umhüllt, sie ist von ihm gesättigt, überflutet.
Meine Kinder, ich wiederhole es, die Beichte ist etwas Göttliches, etwas Heiliges, in das man nichts Menschliches mischen darf. Ich verbiete nicht, zu seinem Beichtvater Vertrauen zu haben, ich verbiete nicht Zuneigung zu seinem göttlichen Amt zu haben. Ich verbiete, dass man zu ihm geht, um sich zu suchen, um sich interessant zu machen.
Ich bitte unseren seligen Vater für euch von unserem Herrn diesen inneren Geist zu erlangen. Und wenn ihr alle eure Beichten in diesem Gefühl macht, werdet ihr sie immer heilig machen, ihr werdet sie kurz, losgelöst von euch selbst machen. Also wird sich die Gnade, die euch durch diesen Kanal so reichlich zufließt, in euch ergießen und euch in einer großen Reinheit erhalten. Ihr werdet alle Segnungen des Himmels erhalten.
Amen.