28. Ansprache zu einer Profess sowie zur Einkleidung des P. Dufour und mehrerer anderer, am 26.01.1892.
Der Glaube ans Ordensleben.
Zu allen Zeiten und Epochen war die Kirche von Einrichtungen des Ordensstandes umgeben. Die Ablegung der Gelübde im Besonderen wurde immer mit einer besonderen Feierlichkeit vorgenommen. Früher legte man, wie ihr wisst, „feierliche Gelübde“ ab. Dieser Titel verlieh der Zeremonie einen großen äußeren Prunk. Es war ein Tag herzlicher Freude für die Familien. Man lud dazu nicht nur die Eltern ein, sondern sogar heidnische Fürsten. Der Geist ist heute ein anderer. Es gibt kaum noch christliche Familien, die Verständnis haben für den Ordensstand. In den guten Familien aber, in denen kein lebendiger Glaube mehr herrscht, scheint man der Auffassung zu sein, der Ordensstand lege so drückende Opfer auf, und die Einsamkeit sei für die Klosterleute so schwer ertragen, dass es zur Gewohnheit geworden ist, die Ordensleute zu bedauern. Ich weiß nicht, wie ich das bezeichnen soll. Lächerlich? Ja! Denn das Ordensleben weist mit Sicherheit weniger Prüfungen, Leiden und Enttäuschungen auf als das Weltleben: das geben alle zu. Kann man folglich den Ordensstand zu einer Art Feldscheuche machen, die die Menschen vom Ordensstand und der Ordensfrau weit wegrückt und die Ordensleute selbst isoliert? Kann man davon eine übertriebene Sorge ableiten, die in den Herzen der Verwandten des „Unglücklichen“, eine Art Angst erzeugt? … Bei uns, das erkenne ich gern an, kann man diese Beobachtung nicht machen. Dank der Gnade Gottes sind eure Familien, meine Freunde, sehr christlich und rechnen es sich zur Ehre an, Gott ihr Kind zu schenken, so wie eine Familienmutter es als Auszeichnung empfindet, wenn sie die Hand ihrer Tochter in die Hand eines Königs oder sonst eines Mächtigen dieser Erde legen kann.
Nicht alle jungen Menschen sind zum Ordensstand berufen. In der Welt müssen Christen verbleiben, die christliche Familien gründen. Unser Herr ehrt und liebt die Weltchristen. Die christliche Familie spielt eine herrliche Rolle…
Das Ordensleben weist in unserer Zeit einen besonderen Charakter auf. Mein Freund, haben Sie Mut, Hochherzigkeit, Hingabefähigkeit und Weite des Herzens? Dann werden Sie Ordensmann! Dann öffnet sich Ihnen die ganze Welt! Ihre ehrgeizigen Pläne, mögen sie noch so hoch fliegen, werden in Erfüllung gehen. Ihr Bedürfnis zu lieben, und alle Wünsche Ihres Herzens werden Sie stillen können, und das in überfließendem Maße. Haben Sie Fähigkeit des Geistes? Wollen Sie diese zum Wohl der Menschen und der Gesellschaft einsetzen? Dann werden Sie Ordensmann!
In der Stunde, in der wir leben, wäre es für die Macht Europas besser, es hätte mehr Ordensleute als Soldaten. Vor allem in Frankreich hat der Ordensmann eine sehr schöne Rolle zu spielen. Er steht auf einem herrlichen Sockel. Denn der echte Ordensmann ist ein Held. Was ist denn ein Held? Der über hohen Mut verfügt, über einen Idealismus, der sich hinopfert. Wer führt denn so ein heroisches Leben? Der verkannte und verfolgte Ordensmann, der sein Blut und Leben einsetzt, um seine Sache zu verfechten und sein Banner hochzuhalten. Eine schöne Mission ist uns da anvertraut. Als Leo XIII. mit der ganzen Kraft seiner Stimme zu uns sagte: „Gehen Sie hin und bilden Sie Ordensleute heran! Wir brauchen Ordensleute, um die Welt zu retten!“ sagte er die Wahrheit. Das Heil der Welt liegt in der Tat im Ordensstand, das ist eine tiefe Wahrheit! Der gute Priester ist der, der wie ein Ordensmann lebt, der alle seine Pfarrerpflichten gewissenhaft erfüllt, der sich der Seelenführung ganz hingibt. Er ist ein wahrer Ordensmann. Gewiss ist der Ordensmann als erster dazu verpflichtet. Er muss von Anfang an ein Mann des Gebetes, der Wissenschaft, des Opfers und des selbstlosen Dienstes sein. Die Zukunft der christlichen Gesellschaft liegt im Geist des Ordensstandes. Sie liegt nicht in politischen Konstellationen noch in den Interessen der verschiedenen Nationen. Dieser Wirrwarr kann nicht von Dauer sein. Der Sturmwind, der ihn bewegt, wird auch ihn wieder zu Boden werfen… Der französische Nuntius, der jetzige Kardinal Czachi, sagte mir: „Ich weiß nicht, wann es so weit sein wird, aber eines Tages wird all das zur Ehre Gottes sein Ende finden. Die religiösen Ideen, die religiösen Wahrheiten und Einsichten werden die Oberhand gewinnen und die Welt erobern.“
Ihr, meine Freunde, kommt zur rechten Stunde, wo die Welt euch braucht, wie der Soldat, der sich zum Sieg entschlossen ins dichteste Handgemenge wirft. Das ganze Armeekorps entscheidet zwar über den Sieg. So klein und schwach aber der einzelne sein mag, ihm kommt auch das Verdienst und die Ehre des Sieges zu. An diese Dinge müsst ihr glauben. Euer Glaube muss unerschütterlich sein, ihr müsst Männer des Glaubens sein. Glaubet an eure heilige Pflicht und Mission, glaubet auch an deren Wirkungen! Ihr habt das Wort unseres Herrn und ihr habt auch das Wort unseres Hl. Vaters: zwei durch nichts zu erschütternde Worte. Man ruft euch: „Voran, marschiert nur immer weiter, der Sieg ist euch gewiss! Gott thront in der Mitte eures Lebens.“ Dazu muss euch alles dienen: Arbeiten, Leiden, Gebete, Prüfungen, Opfer. All das wird euch gelingen. Steht aber Gott nicht beherrschend in eurem Leben, wird euch alles misslingen. Wenn ihr euch von den Ideen der Welt einnehmen lasst, wenn euer Mühen fern von Gott kreist, gelangt ihr nicht zum Ziel.
Eine Arbeit hingegen, die von der Güte und Barmherzigkeit Gottes getragen ist, die sich nach den ewigen Plänen ausrichtet, muss unfehlbar gelingen. Sagt selbst: Welchem Menschen und zu welchem Kaufmann kann man mit Sicherheit sagen: ihr macht euer Glück? Welchem General kann man versprechen: Der Sieg ist Ihnen gewiss? Euch allein, meine Freunde, wird der Sieg garantiert. Ihr seid die Herren der Situation, ihr herrscht über eure ganze Umwelt. Ihr seid all eueren Gegnern überlegen. Zu euch kann man sprechen wie es die Schrift tut zu den bittereren Wassern, den Prüfungen: Sie werden vergeblich ansteigen. Ihr braucht niemals zu verzweifeln.
Habt also Vertrauen zu den Verheißungen unseres Herrn, Verheißungen, die jeden Tag von neuem an die Gute Mutter gerichtet wurden… Noch heute Morgen erhielt ich einen Brief, der mir die Macht Gottes bestätigte. Mit Gott vermag man wirklich alles. Glaubet darum, was die Gute Mutter gesagt hat, was sie geglaubt hat.
Der Glaube… Ich fordere euch dazu auf. Aber was glauben? In der Welt gibt es so viele Irrlehren! Glauben ist das Charakteristikum einer wenig erleuchteten Intelligenz, sagen die Ungläubigen. Wer glaubt, gilt im Allgemeinen als leichtgläubig, der alles für wahr hält und sich allem unterwirft, um völlig zu kapitulieren und alle landläufigen Irrtümer zu umarmen.
Heute findet sich kein Glaube mehr auf der Welt, ein Beweis, dass die menschliche Intelligenz zurückgeht. Überall und immer, wo man heutzutage in Kunst und Literatur einem höheren und ehrlichen Geist begegnet, ist er christlich. Warum bedarf es aber einer hohen persönlichen Intelligenz zum Glauben? Es ist nicht so, wie die Toren sagen: Man glaubt nur, weil man nicht versteht. Der Glaube ist vielmehr eine göttliche Fähigkeit… Unser Herr hat im Evangelium niemals die Tugenden seiner Jünger bewundert, wohl aber den Glauben der kananäischen Frau und den des römischen Hauptmannes. Hatten die beiden etwa keinen Verstand? Zeugt die Antwort der heidnischen Frau nicht von höchster Geistesschärfe? Unser Herr zeigt zunächst keinerlei Lust, sie anzuhören: Man nimmt nicht den Kindern das Brot weg, um es den Hunden vorzuwerfen. Sie verliert nicht die Fassung: „Das ist richtig, aber nähren sich kleine Hunde nicht auch den Brotsamen, die vom Tische ihrer Herren fallen?“ – „Frau, wie groß ist dein Glaube!“ – „Es geschehe mir, wie du geglaubt hast.“ Und der römische Hauptmann: „Herr, mein Diener liegt krank darnieder.“ – „Ich will kommen und ihn heilen.“ – „Herr, ich bin nicht würdig…“ „Ich bin nur ein einfacher Offizier, kann aber befehlen…“ „Befiehl der Krankheit meines Dieners, dann wird sie gehorchen!“ – „Wahrlich“, ruft da der Herr aus, „so viel Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.“
Glaubt, darum, meine Freunde, mit der ganzen Kraft eurer Energie, an die Wahrheiten des Glaubens. Dieser Glaube muss glühend sein, nicht erloschen. Erleuchtet von den Strahlen der Wahrheit, so dass er eure Überzeugungen festigt. Bei uns gehört er sogar zu unseren Standespflichten.
Und der Gegenstand eures Glaubens? Es sind die Wahrheiten des Christentums, dazu alles, was euch zu tun obliegt, eure ganze Sendung… Dieser Glaube muss äußerst weit und glühend sein. Sprecht oft mit den mit den Aposteln: „Mehre, Herr, unseren Glauben.“ Euer Glaube reicht euch um die Glaubenskraft der echten Christen, der heiligen Priester und Ordensleute. Glaubet auch an die Macht der festen Gewohnheiten bei euren Kindern. Glaubt an unsere Kongregation! Gott ist es letztendlich, der euch auch euren Gehorsam (Befehl) schickt, er selbst hat euch eure Mission übertragen. Mit welcher Liebe wird er auf euch schauen, wenn er sieht, wie stark euer Glaube ist. Unser Herr beachtet und rühmt, was doch höchst erstaunlich ist, nicht die Tugenden, nicht einmal die Heiligkeit, die doch in der Tat vor seinen Augen festzustellen war, sondern einzig und allein den Glauben! Habt einen Glauben, wie ihn der hl. Paulus hatte, der den Glauben „die Substanz der zu erhoffenden Dinge“ nennt. Unsere Hoffnung bezieht sich aber auf unser Heil, das Heil der Seelen. Glauben wir also fest daran, dann wird die Gnade alles Übrige tun: „Der Glaube ist die Substanz der zu erhoffenden Dinge.“ Wir brauchen Missionare und Priester, „die in allem unterrichtet sind“. Wie schön ist es, selber seine Arbeit auszuwählen, und wie selten kommt das vor. Lasst ihr vielmehr Gott wählen! Glaubt, dass Gott mit euch ist, mit euch zusammen handelt. Auf diese Weise haltet ihr alle Macht in euren Händen. Sprecht zu diesem Berg: „Heb dich fort, und er wird es tun“. Dieses Bild ist doch recht überraschend.
Ihr erwünscht euch den Himmel, den Lohn der letzten Tage. Ihr besitzt aber bereits den Glauben und die Liebe, „die Substanz der zu erhoffenden Dinge.“ Damit verfügt ihr über alles, was ihr begehren könnt.
Im Ordensstand, in den Handlungen des Ordenslebens steckt das letzte Wort der Heiligkeit. Wir sind gewiss keine großen Heiligen, doch die Substanz, das Wesen der Heiligkeit, die Bausteine derselben und ihr Rüstzeug finden sich darin verborgen. Wir haben sämtliche Mittel in der Hand, heilig zu leben. Glaubt nur fest an die Kraft der Heiligkeit, die euch gegeben ist. Die so oft euch verheißene Hilfe Gottes ist euch gewiss, ihr habt das Zeugnis und den Beweis dafür in Händen. So könnt ihr heilige Ordensleute werden. Wenn dann eure guten Eltern sehen, dass ihr Sohn vom Eifer, von der Liebe und dem Glauben, mit denen sie ihn von Kindsbeinen umgeben haben, profitiert hat, wenn sie in euch all das wiederfinden, was sie in sich selbst tragen, wenn sie euch ihnen ähnlich sehen, wenn sie euren Glauben erlebt und erkannt haben, ja dann ist ihr Glück vollkommen. Sie werden Gott lobpreisen, der in euch diese Erde heimgesucht hat. Sie werden den Himmel offen sehen, der ihnen Frieden, Trost und Belohnung für all das schenken wird, was für Tag für Tag getan worden ist. Und die ganze Kirche wird von dem profitieren, was ihr leistet.
Hoffen wir also, dass Gott euch eines Tages glücklich in den Himmel aufnimmt und euch auf dieser Welt seine guten Engel schickt. Ihr werdet euch von ihnen unterstützt fühlen. Denn das ist das Vorrecht des Gottesmannes. Ich mache mich jetzt zum Dolmetsch der guten Wünsche eurer Eltern, wenn ich sage: Das möge eure Belohnung sein: Glück im Äußeren und Glück im Inneren. Gewissheit für dieses Leben und Sicherheit für die Ewigkeit.
Der Erlöser liebt euch: „Euch habe ich Freunde genannt.“ Ich habe nur eine Beziehung für euch, sagt er zu euch, „meine Freunde“. Alles, was mein Vater mir aufgetragen hat, alle meine Geheimnisse will ich euch anvertrauen. „Euch habe ich Freunde genannt. Alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch gesagt.“ Das Wort Gottes täuscht nicht, verlasst euch darauf. Ihr werdet nicht im Irrtum wandeln! Amen.
