8. Die Buße (aus dem Jahre 1884)
Meine Kinder, diesen Morgen will ich von einer anderen Art des Gebetes sprechen, vom Gebet der Buße. Das Wort „Buße“ scheint zunächst abschreckend. Aber beruhigt euch, ich will nicht sagen, ihr sollt Buße tun wie die Karmelitinnen, bei denen man keine Wäsche trägt und nie Fleisch isst und die Fastenspeisen so zubereitet sind, dass sie dem Geschmack nicht schmeicheln. Zurzeit der hl. Theresia besorgte jede Nonne der Reihe nach die Küche, und das konnte nicht immer sehr gut sein, denn viele mussten damit nicht umzugehen wissen. Die Schwestern vom Kalvarienberg haben eine sehr strenge Regel, ebenso die Benediktinerinnen.
Man verlangt von euch nicht, Strengheiten wie sie zu üben, ihr müsst aber trotzdem Buße tun. Warum? Weil ihr Christen seid. Wie begann das Christentum? Heute feiern wir das Fest der sieben Schmerzen unserer lieben Frau (Anm.: „das ist der 15. September“). Die Kirche begann auf dem Kalvarienberg, mit dem Leiden unseres Herrn und dem unermesslichen Schmerz der heiligen Jungfrau. Auch ein Christ muss zu leiden verstehen. Er muss stets die Last des Kreuzes spüren und es gern tragen.
Ist diese Buße sehr schmerzlich? Oh nein, im Gegenteil. Und das Mittel, stets zufrieden zu sein, besteht darin, immer etwas bußfertig zu sein. Wenn ihr etwas Geist habt, werdet ihr das richtig machen. So steht ihr um 05:00 Uhr auf. Das ist eine Buße, wenn man gezwungen ist, aufzustehen. Tut es aber nicht in schlechter Laune, opfert es Gott auf. Je unwilliger man es annimmt, umso mehr ist man den ganzen Tag mürrisch. Dann habt ihr eure Arbeit. Das ist auch eine Buße, denn es ist nicht angenehm. Opfert Gott die Unlust auf, die ihr empfindet, und eure Arbeit wird ein Schatz an Verdiensten für den Himmel. Versteht das zu tun, meine Kinder, denn darin besteht das ganze christliche Leben. Ihr habt Kummer: es läuft nicht so, wie ihr möchtet. Ihr habt Kranke, Todesfälle in eurer Familie, vielleicht auch ein inneres Leid. Ihr denkt, dass man ungerecht ist, dass man euch nicht liebt. Opfert das alles Gott auf! Wie schöb ist ein Mädchen, wenn es so handelt! Die Engel schauen darauf und sagen: Was für eine Blume ist das, die sich inmitten von Dornen erhebt?
Tut das Gleiche beim Schlafengehen, beim Essen, bei allem, was Gegenstand des Widerwillens, der Selbstverleugnung für euch sein kann. Wenn wir nicht zu essen haben, was wir möchten, denken wir an die Galle, mit der unser Herr am Kreuz getränkt wurde. Diese Abtötung ist gut für unsere Seele und für unsere Gesundheit. Es kommt tatsächlich vor, dass Mädchen an der Schwindsucht sterben, weil sie den Widerwillen nicht überwunden haben, den ihnen die eine oder andere Speise einflößte, weil sie nur aßen, was ihnen schmeckte. Da sie ausreichend genährt sind, werden sie schwächlich und leicht ein Opfer der Krankheit. Man kann wirklich sagen, dass sie sterben, weil sie ihrem Geschmack folgten, ihrem Widerwillen nachgaben.
Seien wir also gute Christen, meine Kinder. Suchen wir nicht das Vergnügen, denn das vergeht sehr schnell. Nehmt das Leben ernst und merkt euch, dass es gut für euch ist, Buße zu tun. Auf diese Weise werdet ihr eine gute Gesundheit haben, Frohsinn, und ihr werdet den Himmel gewinnen. Das sage ich euch voraus, das verspreche ich euch. So sei es. DSB.
