Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 11.03.1891: Über das Morgengebet

Aus Pella erhalte ich gute Nachricht. Mit dem Katechismusunterricht geht es gut voran und wird viel Segen gestiftet. Ja, die Missionen sind Hauptbollwerke gegen die Gottlosigkeit. Beten wir zu Gott, dass er nur uneinnehmbare Bollwerke als Missionare dorthin sende.

2. Art. Aufstehen und Betrachtung. „Beim Aufstehen versenkt der Oblate seine Seele all so gleich in Gott. Die folgenden Gedanken oder auch andere können ihm dabei behilflich sein.“

Das Direktorium bietet uns einige vortreffliche Gedanken zum Aufstehen. Wenn wir aus unserem früheren Leben noch andere Stoßgebete behalten haben, dürfen wir sie ohne Weiteres weiterhin benutzen. Haben wir keine eigenen, so nehmen wir eben die des Direktoriums. Diese tragen immer die Gnade mit sich, die Gnade der Ordensregel, eine Gnade, die wir mit denen der Sakramentalien vergleichen können. Natürlich vermitteln die Sakramentalien nicht dieselben Gedanken wie die Sakramente, sie wirken aber doch entsprechend der inneren Disposition dessen, der sie gebraucht. Das gilt für Weihwasser ebenso wie für gewisse Gebete und vor allem für jene des Direktoriums. Gerade die Übungen des Direktoriums bringen uns reiche und wirksame Gnaden ein.

Am Morgen soll man seine Seele im lieben Gott verjüngen und erneuern. Haben wir uns einmal diese Gewohnheit zu Eigen gemacht, so fällt uns das leicht. Diese kleinen Übungen haben den Franz v. Sales geheiligt. Denn was er im Direktorium niederschrieb, hat er vorher selber praktiziert. Wir können keine besseren Mittel finden. Machen wir uns also entschlossen an die Beobachtung unseres Direktoriums und beginnen wir mit dem Aufstehen. Geben wir nicht nach, bis es uns zur Gewohnheit geworden ist, unser Aufstehen auf diese Weise zu heiligen. Haben wir diesen Punkt treu befolgt, dann gehen wir zum nächsten über. Nach einiger Zeit wird uns das ganze Direktorium ohne übermäßige Anstrengung und fast wie von selbst in Fleisch und Blut übergegangen sein. Macht es der Soldat etwa anders? Geht er nicht beim Exerzieren einen Griff nach dem anderen durch, bis er zuletzt alle Bewegungen dem Reglement gemäß beherrscht?

Der englische Gruß oder Angelus soll wie das Morgengebet frisch, lebendig und kniend verrichtet werden, wie es das Direktorium vorsieht. Gewöhnen wir uns an, mit einer gewissen Lebhaftigkeit zu handeln, ohne viel Lärm, aber auch ohne Zögern und Schleppen. Tun wir alles mit Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Lebendigkeit. Verlieren wir nicht viel Zeit mit dem Ankleiden, Waschen, Rasieren, etc.

Innerhalb von 20-22 Minuten kann man aufstehen, sich anziehen, rasieren, sich abbürsten, das Zimmer etwas durchkehren, und das alle ohne viel Lärm, in beherrschter Emsigkeit. Damit gefallt ihr Gott ebenso, ja noch mehr als vollbrächtet ihr Wunder. Ich selbst habe die Wunder gern. Sie beweisen, dass der liebe Gott sich um uns kümmert. Was die Wundertäter betrifft, ist das eine andere Frage. Der Teufel heftet sich gern an ihre Fersen und schickt ihnen Versuchungen. Ihr könnt dem lieben Gott höchst angenehm sein, so wie die Seraphim, die um seinen Altar geschart, ihm in die Gegenwart Gottes, atmen und leben wir mit Gott mit Hilfe des Direktoriums. Dieses Büchlein sei uns alles, es sei unsere große Andachtsübung. Interessieren wir uns während des ganzen Tages liebevoll für die Anliegen Gottes und für seinen hl. Willen! Was ich da über das Aufstehen gesagt habe, lässt sich natürlich ohne Weiteres auf alle Vorkommnisse des Tages anwenden.

2. Die Betrachtung: „Um betrachten zu lernen, richtet sich der Oblaten nach den Unterweisungen der Philothea.“

Es gibt zahlreiche Betrachtungsmethoden. Sprechen wir von der unsrigen. Heute, morgen, ja sehr häufig kann es geschehen, dass ihr weder die Vorbereitung auf den Tag vornehmen noch über Glaubenswahrheiten nachdenken könnt. Ihr fühlt euch müde, krank, verdrossen, verärgert, unpässlich, zerstreut. Was tun? Ihr habt eine halbe Stunde Betrachtungszeit vor euch. Wie sich verhalten? Ihr faltet die Hände und verweilt eine halbe Stunde vor Gott in Demut, „wie ein Lasttier bin ich ständig vor deinem Angesicht.“ Ich weiß nicht, was tun und sagen. Das spielt aber keine Rolle, denn ich weile ja beständig vor dir, oh mein Gott. Diese Art, seine Betrachtung zu machen, ist die allgemeinste. Haltet diese Zeit nicht für verloren oder unnütz. Sagt immer wieder zum lieben Gott: „Mein Herz ist weit entfernt von dir, mein Geist noch mehr. Ich bin mir nicht klar, was ich wollen und wünschen soll. Aber ich bin vor dir wie ein Vorspannpferd. So hilf mir, mit Freuden auf dem Weg deiner Gebote zu laufen, o Herr!“

Haltet auch die Gläubigen eifrig dazu an, ebenso demütig zu Füßen des Herrn zu verweilen, wenn sie ihm nichts zu sagen wissen. Denn nicht der Mensch tut die Werke Gottes, sondern Gott muss die Werke der Menschen vollbringen. Wir beweisen Gott viel mehr guten Willen durch Leiden und Erdulden als durch geschäftiges Hin- und Herlaufen. So bewegen wir uns im rechten Geleise und im Sinne unseres größten Nutzens.

Das also ist unsere erste Betrachtungsmethode, und sie ist wahrlich nicht schlecht: „wie ein Lasttier bin ich vor dir…“

D.s.b.