64. Ansprache zur Profess der Patres Cochereau, Mahoney und Bodie. Gehalten zum Thema „Der Gehorsam des Oblatenmissionars“ in St. Bernhard, am 23.09.1898
Wenn ihr euch zu dieser hl. Gelübdeablegung einfindet, dann wisst ihr sehr wohl, dass es sich dabei nicht um eine einfache Formel handelt, und dass diese Profess euch zwar gewisse Rechte einräumt, aber noch mehr schwere Verpflichtungen auflegt. Die erste ist die des Gehorsams, jenes Gehorsams, der darin besteht, dass ihr „Ja“ sagt zu allem, was euch durch die Satzungen, das Direktorium und die Stimme der Vorgesetzen aufgetragen wird.
Dieses „Ja“ ist etwas, was uns viel Kraft kostet und darum einen großen Wert darstellt. Etwas, was so weit geht, dass wir einverstanden sind, die Heimat zu verlassen, uns dem Hunger, dem Durst, den Plagen der Hitze und der Eiseskälte der Pole ausliefern, und alles zu tun, was unser Herr seinen Aposteln aufgetragen hat: „Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe.“
Indem ihr die Bürde der Gelübde übernehmt, sagt ihr ein „Ja“ zu allen Aufträgen, die der Gehorsam euch geben kann. Glücklich all jene, die der Gehorsam euch geben kann. Glücklich all jene, deren Herz weit genug und deren Wille losgeschält genug ist, um die Antwort zu geben: „Ecce adsum, ad omnia paratus.“ (Anm.: „Siehe da bin ich, zu allem bereit.“)! Bereit, den Wunsch des Papstes Leo XIII. zu erfüllen: „Seid großmütige Männer ‚usque ad effusionem sanguinis‘ (Anm.: ‚bis zum Blutvergießen.‘), indem ihr gemäß dem Wohlgefallen den Pfad des Gehorsams geht!“
Jetzt, da ihr vor dem Tabernakel steht, an dessen Stufen ihr gleich knien werdet, sprecht jenes große „Ja“ des Gehorsams, das bis zum Annehmen des Leides geht. Wie glücklich sind jene, die das begreifen. Denn sie erfüllen die Verheißung der Guten Mutter. Sie gehen bis zu den Enden der Erde, den Heiland dorthin zu tragen… Die Oblaten sind ja dazu bestimmt, seine Güte zu bestätigen und diese Güte bekannt zu machen.
Welch ein schöner Ehrgeiz! Ich erinnere mich an die ersten Jahre im Priesterseminar – und diese Gefühle stehen mir immer gleich lebhaft im Gemüt – da wurden im Speisesaal erbauliche Briefe von Missionaren vorgelesen. Wir waren in der Sexta. Beim Herausgehen sagten wir zueinander: „Brannte unser Herz nicht während der Lektüre?“ War da nicht etwas, göttliches Feuer damit anzuzünden? Glücklich, wer diesen Anruf hört und gedrängt fühlt, in die Mission zu gehen und Gott dahin zu tragen! …
Gewiss können nicht alle Berufungen für Afrika bestimmt sein. Wenn ihr aber geboren seid in einer guten und christlichen Familie und von Kindheit an, bei der ersten hl. Kommunion, den Wunsch verspürt habt, Apostel und Missionare zu werden, bewahrt diesen Ruf in eurer Seele wie einen kostbaren Wohlgeruch, der euer Herz durchströmt und es dem Herzen Jesu angenehm macht. Bemüht euch dann, das Leben eines Missionars betend zu betrachten und betend zu studieren…
„Ja, Herr Pater, das ist aus der Ferne schöner als aus der Nähe…“ Doch nicht, meine Freunde. Der Bischof von Nizza besucht eines Tages die Oblatinnen und sieht Schwester Paul-Angela, die von Südafrika zurückkam. Er will wissen, warum sie dies weiße Kleid trägt: „Sie kommen vom Kap der Guten Hoffnung?“ Sie antwortet „Ja“ in einem so überzeugenden Ton, dass der Bischof sie bewegt betrachtet und sagt: „Wie schön ist doch diese Gesinnung! Wie vermag das die Seelen zu trösten, die Gott lieben und die sich bemühen, die Menschen zum Dienst Gottes zu entflammen!
Aus der Nähe gesehen hat dieses Leben in der Tat seine Heimsuchungen. Es hat aber auch seine gewaltigen Tröstungen! Der gute Hirte kennt seine Schafe, er ruft sie bei ihrem Namen, sie gehören ihm. Ob sie mitten unter unwissenden und fremden Menschen leben, ist unwichtig… Nach kurzer Zeit wächst unter ihnen eine unvergleichliche Sinnesgemeinschaft heran, die sich nirgendwo anders findet, und sie erfahren Tröstungen, die sie für alle Mühen entschädigen.
Es sind Blinde, denen ihr die Augen geöffnet, Taube, denen ihr das Gehör zurückgegeben habt, Gefangene des Teufels, die in den Finsternissen und Schändlichkeiten der Unwissenheit gelitten haben. Ihr habt ihnen die Freiheit, den Atem und den Anblick zu Gott zurückgegeben.
So viele Seelen ihr auf diese Weise gewonnen habt, so viele werden euer ewiges Glück vermehren.
Und dann ist der Oblate – die Gute Mutter hat es mir oft gesagt. Das war nämlich ihr intimer und grundsätzlicher Gedanke – der Oblate ist unser Herr selbst, der noch unter uns weilt. Ihn sieht und hört man im Oblaten, seine Obsorge erfährt man in ihm. War nicht das Leben des Erlösers seinem Leben gleich? War Jesus nicht wie unser Afrikamissionar den Qualen des Durstes ausgesetzt, nachdem er die Pfade des hl. Landes durcheilt hatte und am Jakobsbrunnen ankam? Hat er nicht die Schikanen des Hungers erlitten, als seine Apostel durch Getreidefelder gingen und Ähren zerrieben, um ihren Hunger zu stillen und gewiss auch ihres Meisters? Oder als er vor dem unfruchtbaren Feigenbaum stand und Früchte pflücken will, die er nicht vorfindet? …
Wollt ihr da gleichgültig bleiben? Scheint er nicht zu sagen: „Wenn ihr mich liebt, warum wollt ihr dann nicht auch meine Leiden mit mir teilen und mir bis zum Jakobsbrunnen nachfolgen und mir sagen: ‚Gib uns von diesem Wasser, das bis zum ewigen Leben fortquillt?‘ Wäret ihr nicht glücklich, wenn ihr an meinen Mühen, an meinem Hunger, an meinem Durst und meiner Müdigkeit teilnehmt?“ …
Diese Seiten des Evangeliums dürfen für den Oblaten nicht nur eine Erinnerung bleiben. Nein, es war ja nicht sein Lebensinhalt. Ihr setzt es fort. Ihr seid mit ihm berufen zu leiden, was er gelitten und wie er gelitten. Dann seid ihr nicht mehr ihr, sondern seid seine Vertreter, der Ausdruck seines Willens.
Soviel über die Mühsale des Apostolates.
Meine Freunde, lassen wir unser Herz warm werden bei der Betrachtung dieses so erhabenen Lebens. Antwortet ihm, sagt dem Erlöser: „Als du die zwölf Aussätzigen geheilt hast, kam nur einer zurück, um dir zu danken. Als der reiche Jüngling deinen Anruf vernahm, kehrte er um, und du hast ihm mit einem Blick unsagbaren Leids nachgeschaut. Erlaube nicht, dass mir jemals solch ein Blick bestimmt sei. Ich will mich anstrengen, die Ehre deines göttlichen Rufes zu verdienen und will sprechen: ‚Ja, Herr!‘“ Diesen Entschluss habt ihr gefasst am Tag, als ihr zum ersten Mal den Anruf Gottes vernahmt. Diese Erstgnade hat in eurer Seele die klösterlichen Tugenden aufkeimen lassen. Die Treue zum Direktorium hat diese köstliche Pflanze gedeihen lassen, und heute sind die Früchte da: „Herr, ich habe deine Stimme vernommen, ich eile herbei und bete: ‚Zeige mir deine Wege.‘ ‚Ego [sum] servus tuus.‘ (Anm.: ‚Ich bin dein Knecht.‘)… Hast du mir nicht gesagt, du seist mein Freund, wie du der Freund des Lazarus, der Maria und der Martha gewesen bist?“
Heute wollen wir fest für Bischof Simon beten, dass Gott ihn mit tüchtigen und eifrigen Ordensleuten umgebe. Dass er in seiner fernen Einsamkeit einen starken Rückhalt in seinem Kloster finde, eine ständige Erinnerung an das, was uns in den Satzungen im Noviziat und den Kapiteln eingeschärft wurde. Er soll um sich treue Freunde spüren, Herzen, die mit dem seinen im Einklang schlagen wie mit den Patres seiner Umgebung dort.
Meine Freunde, wollet ihr alle versprechen, gut zu gehorchen und für immer die Bande und Ketten des Gehorsams auf euch zu nehmen. O süße Bande, die nach einem Wort des hl. Paulus glücklicher machen als alle Aussichten dieser Erde. Die Blutzeugen küssten ihre Ketten und dankten Gott, dass er sie würdige, an den Leiden seines Sohnes teilzunehmen.
Bemüht euch, Gott immer wohlgefälliger zu werden. Er wird dank der hl. Gelübde eure Bindung mit ihm noch inniger gestalten. Ja er wird euch ganz nahe kommen, bis ihr nur noch ein Herz und eine Seele mit ihm bildet. Hoffen wir, dass Gott unsere neuen Ordensleute, die sich uns heute beigesellen, segnen möge. Auch Sie, mein Freund, den uns schickt. Wir haben England ja so viel zu danken für die freundliche Aufnahme, die es unseren Patres bereitet.
England schätzt uns und antwortet mit großer Hochherzigkeit auf unseren guten Willen. Es zeigt unserem Bischof Simon viel Wohlwollen. Beten wir um die Rückkehr dieser ganzen großen Nation zur katholischen Einheit. Käme sie zu Gott und zur Wahrheit zurück, wie gut würde sie das Wort des Papstes verwirklichen, der auf dem Marktplatz von Rom britannische Sklaven von großer Schönheit sah und ausrief: „Nicht Engländer sind das, sondern Engel!“ („Sunt non Angli, sed angeli.“). Und Gott wird ihre Bekehrung Wirklichkeit werden lassen, wenn Sie nicht aufhören, darum zu beten.
