1. Vortrag: Was sind Exerzitien?
Meine lieben Freunde, Exerzitien, wie immer sie aussehen, haben ihre gewisse Gleichförmigkeit, Uniformität. Sie haben dasselbe Gesicht, fast dieselben Vorträge, die gleichen Verpflichtungen. Und doch gibt es solche, die ein größeres Gewicht haben als andere. Die eine wesentliche Bedeutung haben.
So betrachte ich auch diese Exerzitien als sehr bedeutungsvoll. „Non multum loquar vobiscum.“ (Anm.: „Ich rede nicht mehr viel zu euch.“). Ich werde alt. Wer kennt die Absichten Gottes? Vielleicht habt ihr mich nicht mehr lange anzuhören, und die Worte, die ich an euch richte, wecken nur noch ein fernes Echo. Darum scheint es sehr angebracht, dass ihr zu diesen Einkehrtagen den ganzen guten Willen beibringt, dessen ihr fähig seid, um davon zu profitieren.
Exerzitien gewinnen für uns große Proportionen, wenn wir ihre Folgen in Erwägung ziehen. Lasst uns beginnen… Seit langer Zeit sage ich euch, dass wir beginnen sollen… In der Tat haben wir bislang nicht viele Mitglieder erworben. Unsere Organisation hat darunter gelitten. Wir haben große Arbeiten zu erledigen, aber wenig Arbeiter, sie auszuführen. Wir haben schwere Kämpfe zu bestehen und finden wenig Hilfe in unserer Umgebung. Nur eine geringe Zahl von Mitarbeitern hat an unseren Türen um Einlass gebeten. Und selbst in dieser kleinen Zahl haben nicht wenige den festen Halt unter den Füßen verloren und sind auf einem anderen Weg zurückgekehrt in die Welt. So stehen wir zur gegenwärtigen Stunde wirklich immer noch in den Anfängen. Nun gut, lasst uns also von neuem beginnen!
Exerzitien haben wir gewiss für uns selbst nötig. Gleichwohl brauchen wir sie auch für all unsere Werke, unsere Kollegien und die Seelen, die uns anvertraut sind, für die Vielzahl der Seelen, die in den Plänen Gottes eines Tages durch unsere Vermittlung Inspirationen, Licht und Gnade empfangen sollen… Die Gute Mutter lag auf ihrem Sterbebett bereit zum Sterben, als sie mir vor der ganzen versammelten Kommunität sagte: „O wie sehr wünsche ich, der liebe Gott ließe mir noch etwas Zeit, dass ich sehe was er tun will. Es wird großartig sein, was er vorhat, es wird schön, sehr schön sein! … Man wird auf Erden von neuem den Erlöser gehen sehen… und sein Geist wird sich in den Seelen ausbreiten.“ Meine Freunde, ist das keine großartige Prophezeiung?
Msgr. Ravinet, der Bischof von Troyes, der uns ins Noviziat aufnahm, hielt uns an diesem Tag eine kleine Ansprache. Dabei sagte er: „Heute säe ich das kleine Senfkorn aus. Dieses Korn wird nicht zögern zu wachsen, und die Vögel des Himmels werden sich in seinen Zweigen zur Ruhe niederlassen. Was ihr heute grundlegt, wird große Auswirkungen haben und in der Kirche Gottes nicht unfruchtbar bleiben.“ Das war eine Prophezeiung und sie kam aus dem Mund eines Bischofs.
Die eine wie die andere Voraussetzung von zwei Heiligen haben ihre Quelle sicher in einer göttlichen Erleuchtung, in einer Eingebung von oben. Und durch uns müssen sie Erfüllung finden. Lasst uns während dieser Exerzitien prüfen, ob wir wirklich auf der Höhe dieser Verheißung stehen: Ob jeder von uns, wie es seine Pflicht war, den göttlichen Gnaden entsprochen hat. Ob wir wohl begriffen haben und uns angebotenen Gnaden den Blick nicht abgewandt haben, um kalt und gleichgültig zu bleiben und uns selbst den Teil zuzuschieben, der Gott zukam, anstatt uns ohne Vorbehalt ihm auszuliefern. Ob wir Berechnungen angestellt haben, wie wir dem Nächsten so wenig wie möglich geben können. Prüfen wir darum gründlich unser Denken und Fühlen, die Beweggründe, die unserem Handeln zugrunde liegen. Das ist das Prinzip und der Ausgangspunkt.
Wir halten diese Exerzitien in der Absicht, dass unsere Kollegien und Jugendheime das Licht und die Bewegung empfangen, die sie brauchen. Dass wir zwischen Gott und den Seelen treue Mittler der Kommunikation seien. Dass wir von Gott die genauen Mittel und Ausdrücke erfahren, die das göttliche Wort diesen Seelen weitergeben, ohne Abstriche und Einschränkungen. Dass wir diese Seelen in die Bewegung einordnen, die Gott ihnen aufprägen will. Meine Freunde, sämtliche Gnaden, die wir in den Seelen ausbreiten können, aller Erfolg, den wir da erzielen können, hängen einzig und allein davon ab: Wir dürfen nichts anderes sein wollen als treue Mittler Gottes. Ich versichere euch im Namen Gottes mit der ganzen Überzeugungskraft meiner Seele: Bei uns wirkt und gelingt nichts, erhält keinen Segen und sieht keinen Erfolg, es sei denn unter dieser Bedingung. Gott muss mit uns sein, er muss unser Mittel, der Atem unserer Seele, unseres Lebens und unserer Jugendheime sein. Ohne Gott wirken wir nichts, absolut nichts. Die Seelen, zu denen wir gehen, bleiben trocken, die Herzen unzufrieden, die Geister verschlossen… Warum das? Weil es eine Strafe der Gerechtigkeit Gottes ist. Er hat in unsere Hände eine immense Gabe gelegt. Er will, dass wir alle Mittel anwenden, sie fruchtbar zu machen.
Wäret ihr gestern in die Kirche St. Jean gegangen, hättet ihr vierhundert junge Mädchen aus dem Volk kommunizieren gesehen, Arbeiterinnen, Kinder aus unseren Jugendheimen. In ihrer Haltung und auf ihren Gesichtern hättet ihr das Leuchten, die Freude, die Reinheit, jenes gewisse Etwas des Erstkommuniontages festgestellt. Wovon rührte das her? Zum großen Teil glaube ich von unserer Lehre, den Mitteln, die wir anwenden, den Hilfen, die Gott uns an die Hand gibt, von dem Licht, womit er unsere Worte umgibt, von den Gnaden, womit er unsere Bemühungen um die Seelen bereichert. Wir stehen hier ja nicht wie Seminaristen, wie Weltpriester im hl. Seelsorgedienst, nicht einmal wie eine Gemeinschaft von Ordensleuten, die sich der Betrachtung und der Abtötung hingibt. Sondern wir stehen hier, um uns mit der Lehre und den Seelsorgemethoden des hl. Franz v. Sales und der Guten Mutter zu durchdringen. Und wir werden den Weg für die Seelen umso sicherer und wirksamer finden, je mehr unsere Person von diesem Leben sich nährt und diese Atmosphäre atmet. Dadurch und dadurch allein stellen wir etwas vor.
Wir halten diese Exerzitien folglich zugunsten unserer Kollegien. Wir wollen sie ebenfalls manchen für unsere Jugendwerke, für unsere Missionen… Sie wurden arg heimgesucht dieses Jahr, unsere Missionen. Und sie werden es jetzt nicht. Doch wie sehr Gott sie segnet! Welch herrliche Resultate sie hervorbringen! Woher kommt das? Geben wir uns keinen Illusionen hin. Wenn wir schöne Erfolge verzeichnen, dürfen wir sie niemals unseren Talenten und Tugenden zuschreiben, sondern einzig der Gnade, die Gott mit unseren Seelsorgebemühungen verbindet. Die Gnade aber, nochmal, ja tausend Mal sei es gesagt, ist uneingeschränkt das Resultat unseres Lebens mit dem Direktorium, des Verzichts auf uns selbst, um ganz Gottes zu sein. Unsere Missionare haben mutig und treu gekämpft, und die Gnade floss überreich.
Wir schulden und brauchen diese Exerzitien auch für unsere Predigttätigkeit, unsere Seelenführungsmühen, unsere Seelsorge. Denn da, liebe Freunde, kann man uns erkennen und einschätzen. Da begreift man vor allem unsere Lebenssubstanz, da findet man das Brot, das die Seelen nährt. Da schöpfen die Seelen positive und hinreichende Abhilfen für ihre Bedürfnisse, wirksame Mittel der Heiligung des Lebens, der Peinen und der Leiden. Das ist dermaßen bedeutsam, was mir unsere Missionare sagen, was man mir von allen Seiten schreibt. Ich sehe fast keine einzige Seele, die von diesen Mitteln nicht angerührt würde und nicht letztendlich mit innerem Glück und voller Glückseligkeit sich ergäbe…
Dürfen wir angesichts solcher Tatsachen gleichgültig bleiben? Ihr sagt mir vielleicht: Ich bin Rhetorikprofessor (Anm. „Rhetorik: Redekunst, wurde in Frankreich bis in die Kollegstufe gelehrt.“), ich bin Aufseher, ich bin dies und das, wie soll ich auf diese Gnade reagieren? Mich mit diesem Gedanken nähren? Weil ihr Aufseher und Lehrer seid, müsst ihr euch damit nähren und versuchen, davon jene profitieren zu lassen, die ihr zu beaufsichtigen und zu unterrichten habt. Ihr müsst Gott in eure Klasse und euren Studiersaal hereinrufen. Dort müsst ihr genau so handeln, wie es das Direktorium aufzeigt und wie man es euch im Noviziat gelehrt hat. Nur unter dieser Bedingung könnt ihr Erfolg erzielen und die Seelen und die Willen eurer Schüler und aller, die zu euch kommen, gewinnen.
Ich bin alt, meine Freunde (Anm.: „P. Brisson stand damals im 80. Lebensjahr“), ich konnte seit vielen Jahren meine Erfahrungen sammeln und profitiere auch von den Erfahrungen meiner Vorgänger. Ich versichere euch vor Gott, dass die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, von allen die sichersten und wirksamsten sind. Diese Mittel wurden gerade uns anvertraut und gehören uns. Sie entstammen, wie mir die Gute Mutter versicherte, dem Schatz der göttlichen Liebe. Dieser Schatz wurde allein unseren Händen anvertraut und nicht anderen. Dieser Verpflichtung stehen wir gegenüber, der Verpflichtung, diese Gabe Gottes zum Durchbruch zu verhelfen, sie zur Kenntnis zu bringen, dass man sie hochschätzt und fruchtbar werden lässt. Und das sollt ihr in diesen Einkehrtagen vorbereiten.
Und nicht nur für die Gegenwart gilt es, die Gabe Gottes fruchtbar werden zu lassen, wir haben ja auch die Zukunft grundzulegen. Wir sind nur die Ersten, meine Freunde, andere werden nach uns kommen. Welches Erbe wollen wir ihnen denn hinterlassen? Gebt acht, Gott ist ein eifernder, strenger, unerbittlicher Gott für jene, denen er Schätze anvertraut hat und die sie verderben lassen… Den Schatz, von dem hier die Rede ist, schulden wir nicht nur uns, sondern auch anderen, zu bewahren und weiterzugeben, an jene, die unser Erbe antreten werden. Wenn wir ihn aus Nachlässigkeit vergeuden, wenn wir ihn zugrundegehen lassen, so dass nichts mehr davon übrig bleibt, was finden dann unsere Nachfolger noch vor? Ich fürchte nicht, mit der Gerechtigkeit Gottes zu drohen – ich habe unaufhörlich Beweise davon vor Augen. Jene, die diese Gabe nicht bewahren, die sie nicht ihren Nachfolgern weitervermitteln…
Das ist eine sehr sonderbare Sache, meine Freunde: Alle jene, die sich gegen diese Doktrin gestellt haben, die sie bekämpft haben, auf die eine oder andere Weise, sind ihre Opfer geworden… Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll, der Ausdruck fehlt mir… Jawohl, untrügliche Opfer der göttlichen Gerechtigkeit, und das auf eine schreckliche Weise. Nicht eine einzige dieser Seelen gibt es, die nicht unglaubliche Züchtigungen erlitten hätte. Ich glaube, es ist an der Zeit, diese Tatsachen in unseren Annales (Jahresbüchern) zu sammeln und festzuhalten…
Der hl. Petrus sagte am Beginn der Kirche zu Ananias: „Warum hast du gegen den Hl. Geist gelogen?“ Und zu Safira: „Sieh die Füße derer, die deinen Mann fortgetragen haben. Sie werden auch dich forttragen!“ Und dabei war der hl. Petrus alles andere als grausam, er war kein Tyrann, sondern lediglich der Diener einer bitteren und schrecklichen Gerechtigkeit. Ihr wisst, was den beiden Lügnern passiert ist… Warum das? Weil es sich um die Gabe Gottes handelte, die Gabe Gottes handelte, die Gabe seiner Zuvorkommenheit und seiner Liebe. Gott aber ist unerbittlich jedes Mal, wenn er sich einer kompletten Nachlässigkeit und der Verachtung der Gaben seiner Liebe gegenüber sieht. Da zieht er seine Hand zurück und lässt die undankbare Seele in die Tiefe des Abgrundes fallen…
Denkt an eure eigene Erfahrung in der Vergangenheit, meine Freunde, prüft eure nähere Umgebung, dann stellt ihr fest, dass ich in keiner Weise übertreibe… Und noch einmal: Warum das? Weil Gott selbst an den intimen Gnaden seines Herzens hängt, er hängt daran mit einer grenzlosen Liebe. Er will, dass wir daraus Nutzen ziehen und auch die anderen davon profitieren lassen. Tun wir das nicht, züchtigt er uns.
Meine Freunde, wir wollen diese Einkehrtage halten, um wahre Oblaten zu werden, um uns mit diesem göttlichen Willen zu durchdringen, darin unser Fundament zu finden, um in diesem göttlichen Wollen, dieser ewigen Intention auf Erden einen Orden der Liebe und Heiligkeit zu gründen, der die Verdienste des Erlösers weit und breit ausstreut. Ein Orden, der wie die Gute Mutter Maria Salesia es sehr oft gesagt hat, seine Wohnung im Innersten der göttlichen Liebe aufschlagen soll. Der das Evangelium im Einzelnen neu drucken soll, Wort für Wort, in Buchstaben, die der Erlöser selbst setzen will… Diese Gabe Gottes ist ausschließlich uns zugeteilt und in die Hände gelegt. Wir haben die absolute Verantwortung für diese so große Gnade. Während der Dauer von vierzig Jahren habe ich dem beigewohnt, habe diese Lehre angehört mit mehr oder weniger Zweifeln, ich gestehe es. Mit mehr oder weniger Unsicherheit. Ich musste aber erkennen, dass ihr Fundament voll allerhöchster Wahrheit und erhabenem Wahrheitsgehalt war. Tag für Tag habe ich der Entfaltung und Verwirklichung all dessen beigewohnt. Immer wenn die Gute Mutter mir eine Weissagung machte und ich einige Tage später ihre Verwirklichung erlebte – ich kann hier nicht auf Einzelheiten eingehen – sah ich mich wohl oder übel gezwungen, mich zu ergeben. Die Aktion Gottes dabei war klar wie der Tag… Immer wenn ich die Gute Mutter von der hl. Kommunion kommen sah, von der Betrachtung, und von all dem reden hörte, spürte ich Gott, fühlte, dass dies alles vom Himmel kam. Ich konnte es nicht wegleugnen. „Und das eben ist die Gabe der Oblaten“, wiederholte sie mir, „euch ist sie zugedacht…“
Ich muss es euch sagen, meine Freunde, um euch all die Hilfsquellen, die da sprudeln, verständlich zu machen, die Gnaden, die ihr nirgendwo anders finden werdet, weil sie euch allein zugeteilt sind.
Das ist so eindeutig, dass es einem Prüfstein, einem elektrisch geladenen Gegenstand gleicht, den man nicht ohne elektrischen Schock anrühren kann. All das, was die Gute Mutter uns da mitgeteilt hat, bringt seine Wirkung hervor für den Dienst und das Heil der Seelen, und es ist unser Vatergut.
Rufen wir während der Exerzitientage das göttliche Licht herab, dass es unseren Weg erleuchte und uns zeige, durch welche Hilfsmittel wir dahin gelangen, größtmöglichen Nutzen aus dieser Gabe zu ziehen, wie auch die anderen zu erleuchten und die Pläne Gottes mit uns zu verwirklichen. Das ist Sinn und Zweck dieser hl. Exerzitien.
Wir wollen sie halten wie wir sie zu halten gewohnt sind: Es sind wie immer einige Hinweise zu geben, die Aufmerksamkeit auf gewisse Punkte zu lenken, die man leicht vergisst…
„Herr Pater“, wird der eine mir sagen, „ich verstehe nicht viel von dem Gesagten, es scheint mir reichlich mystisch…“ Ein anderer, dem es an der richtigen Einstellung fehlt, sagt: „Die Exerzitien ermüden und langweilen mich, belasten Leib und Geist… Ich esse nicht mehr wie gewöhnlich, schlafe schlecht und unbequem. Alles verstößt gegen meine Gewohnheiten. Dieser Zwang! Ich fühle mich unter der Herrschaft eines fremden Willens, ich leide darunter…“
Wie sehr doch das, was ihr sagt, wahr ist! Und es ist so gut, dass ihr ein wenig das Kreuz spürt! Haltet eure Einkehr in Ängsten, je mehr, umso bessere Exerzitien! Sprecht: „Fiat!“ (Anm.: „Es möge geschehen!“) und schreitet tapfer voran! Die Gnade Gottes wird dann in euch das Weitere wirken. Gott, der den Vögeln des Himmels die Körner und die Tautropfen bereitet, glaubt ihr nicht, er habe nicht auch für euch Gnaden, die der Exerzitien, zubereitet? Meint ihr, er halte nicht in seiner Vorsehung die Hand über jeden Umstand der Exerzitien? Er ist ganz da, um euch anzuschauen und euch zu lieben. Betet ihn an bei diesem ermüdenden Gedanken in jener Trübsal und Entmutigung. Bei diesem Zwang, in jener Finsternis und Trockenheit der Seele. Ich sage es zum zehnten Mal, dass ich in der Heimsuchung die heiligsten Seelen auf diese Weise Exerzitien machen sah. Schwester Maria Genofeva machte sie nie anders, und sie war doch eine große Heilige.
Seid treu in der Befolgung der Exerzitienordnung! Sie sei euch wie etwas Heiliges und Geheiligtes, das wir hochachten sollen wie die Israeliten die Bundeslade des Herrn hochachteten. Man darf nicht daran rühren, unter Todesstrafe nicht Hand daran legen. Das wäre der Tod unserer Exerzitien, die Vernichtung all unserer guten Entschlüsse.
Tut das, meine Freunde, und tut es mit Einsicht in die Zusammenhänge. Lehrt die, denen ihr Einkehrtage haltet, die gleiche Haltung. So werden sie keine Schwierigkeiten damit haben, mit einem starken Mut und heißen Wunsch, ganz Gottes zu sein, wie Gott es uns ans Herz legt.
Was euer Beten während dieser Tage betrifft, so wird es gut sein, dass ihr besonders bei der Besuchung des Allerheiligsten eurem inneren Zug und Antrieb folgt. Fehlt es euch an Glauben? Es gebricht uns ja oft daran. Und warum das? Aus Unvermögen, infolge der Erbsünde, infolge auch unserer Vergehen, unserer kleinen Untreuen. Der göttliche Strahl trifft unsere Seele dann nicht mehr so rein und ungehemmt. Es fehlt uns am Glauben an unser Direktorium, an unser Ordensleben, an den klösterlichen Gehorsam. Lasst uns darüber unser Betrachtung halten und um Glauben bitten: „Adauge, Domine, fidem.“ (Anm.: „Vermehre, Herr, meinen Glauben.“).
Oder fehlt es euch an Großmut? Dann betrachtet darüber. Seid ihr dem Leichtsinn ergeben, der Zerstreuung des Geistes? „Redite ad cordem.“ (Anm.: „Steigt in euer Herz hinab.“). Kommt zu Gott zurück, der da vor euch ist, bei der hl. Messe, im Tabernakel, in euren Herzen. Bittet Gott, er möge nicht zulassen, dass ihr euren Geist und euer Herz vergeudet.
So wollen wir diese Exerzitientage verbringen. Ich wiederhole, dass ich sie für bedeutungsvoller halte als einfache kirchliche Exerzitien: Ihr sollt ja über die euch auf diese oder jene Weise anvertrauten Seelen ausgedehntere Gnaden erhalten, tiefere noch als für den einfachen kirchlichen Dienst. Unsere Exerzitien müssen besser sein als jede andere Einkehr, nicht bloß aus dem genannten Grund, sondern vor allem – und wer es begreift, ist selig zu preisen – weil Gott uns unter Tausenden und Abertausenden erwählt hat. Er hat uns erwählt und berufen, nicht um uns ans Tischende zu setzen wie Judas es zustand, nicht an die Tischmitte, von den anderen Aposteln umgeben, sondern um uns neben sich zu setzen, zusammen mit dem hl. Johannes, dem viel geliebten Apostel. Da sollen wir an seinem Herzen ruhen und besser verstehen, was er sagt, und es auch anderen verständlich und liebenswert machen. Da nehmen wir in Besitz, was er von Ewigkeit her für uns bestimmt hat.
Während der hl. Exerzitien, bei der Besuchung des hl. Sakramentes, kommt wie der hl. Johannes und bittet unseren Herrn, er möge euch offenbaren, was er für euch bedeutet und was ihr für ihn sein sollt.