2. Vortrag: Habt guten Mut!
Der hl. Franz v. Sales führt oft in seinem Mund ein Wort ähnlich diesem: „Habt guten Mut!“ Dieses Wort sollte uns bedeutsam sein, weil es auch für Franz v. Sales viel, ja sehr viel bedeutete. Der Mut, der gute Mut, lässt uns nämlich nie im Stich! In jeder Lage bleibt er uns treu. Und das beweist große Seelenstärke. Es bedarf in der Tat großer Energie, um seine Widerstandskraft, seine Aktivität und sein gesundes Urteil immer auf der gleichen Höhe zu halten. Wir tun gut daran, dieses Wort des hl. Stifters während der hl. Exerzitien zu durchdenken. So wie ich euch gestern ans Herz legte, alles leidenschaftlich gut zu verrichten in unserem Amt, so möchte ich euch heute sagen: Habt in jeder Lebenslage guten Mut! Und dieser Mut wird bezeugen, dass ihr echte Oblaten des hl. Franz v. Sales seid.
Bestimmt bedarf es einer großen Seelenstärke, um seinen Mut inmitten der Arbeiten, die unsere gewöhnliche Beschäftigung bilden, hochzuhalten. Dieselben Dinge kehren oft und oft wieder. Einen ununterbrochenen Kampf gilt es gegen jene Bedrückung unseres Gemütes zu bestehen: Dass wir oft, ja beständig zum Ausgangspunkt zurückgeworfen werden. Das verlangt starken Mut und wir werden gut zu den Mitteln greifen, die ich euch gleich an die Hand geben will.
Eines starken Willens bedarf es auch in den täglichen Beschäftigungen, um der Herausforderungen der Prüfungen gewachsen zu sein, ob sie von anderen oder von uns kommen. Wie wollen überdies einen dem unseren direkt entgegengesetzten Charakter aushalten, ohne ein mutiges Herz? Wäre dies ein einziges Mal der Fall, fiele es uns nicht schwer, Vervielfachen sich aber die Verzichte und verewigt sich der Zwang, dann braucht es großen Mut, will man die Seele im Frieden, in der Ruhe und im Wohlwollen dem Nächsten und dem Gehorsam gegenüber erhalten.
Wieviel Ungerechtigkeiten geschehen doch, nicht gerade bei uns, aber in der Welt draußen! Man urteilt schlecht über uns, legt unsere Handlung falsch aus. Dies spielt sich zwar außerhalb unseres Selbst ab, dringt aber doch häufig in uns ein. Ein Urteil, das vor Zeiten über uns gefällt wurde, feiert eines Tages fröhliche Urständ. Und das alles schafft um uns eine Atmosphäre, in der es sich schwer atmen und leben lässt. Diese Schwierigkeiten werden aber noch vermehrt durch den schlechten Geist, der aus der allgemeinen Gottlosigkeit und der teuflischen Einwirkung resultiert, der sogar die Regierungen erliegen. Welch einer Energie bedarf es da, um nicht den Mut verlieren. Habt also allezeit guten Mutes!
Großer Festigkeit bedarf es auf dem Gebiet des Gehorsams. Gehorchen fällt schwer. So schwer, dass die Welt, die nur durch ein ungeheures Opfer erlöst werden sollte, durch den Gehorsam allein losgekauft wurde. Ein starker Mut tut not, um ständig sein eigenes Wollen und Urteilen zu unterwerfen, um „Ja“ zu sagen ohne Wenn und Aber, wie unser hl. Stifter sagt. Lasst euch auch in der Versuchung nicht entmutigen! Letztere kommt vom Teufel, oder von uns selbst. Unser Leben steht ja nicht auf Felsengrund, nicht einmal auf fester Erde. Wir sind Wanderer, und unser Leben ruht, wie die Hl. Schrift sagt, sozusagen auf Wasserwellen. Längs des Weges warten alle Arten und Prüfungen und möglichen Gefahren. Diese Gefahren und Prüfungen sind aber Versuchungen, die jeden von uns befallen. Wer nicht vom Stolz versucht wird, wird es von der Sinnlichkeit. Wer von der Sinnlichkeit verschont bleibt, wird zur Lieblosigkeit versucht. „Die Versuchung“, sagt der hl. Dulder Hiob, „ist das tägliche Brot des Menschen, der über diese Erde geht.“ Wie soll man die Versuchung überwinden? Die Gottesgelehrten, die Väter des geistlichen Lebens haben Hinweise gegeben, wie man die Versuchung überwinden kann. Es sind deren viele. Auf ein Mittel kommt er aber ständig zurück: „Habt guten Mut!“ Lasst euch durch den Kampf nicht niederdrücken! Vervielfacht in der der Versuchung eure Zufluchtnahme zu Gott. Und sollte die Versuchung uns sogar zur Sünde verführt haben, wahrt festen Mut, vor allem dann, und haltet an Gott fest mit Vertrauen und Liebe.
Viele bilden sich ein, die Versuchung sei ein Hindernis zum Guten hin, vor allem zum Ordensberuf. Das sind zwei Grundirrtümer. Das Gute besteht ja in den Seelen nur im Maße der Versuchung. In meiner langen Seelsorgeerfahrung kam ich zur Überzeugung, dass ich in der Heiligkeit nur in der Versuchung begegnete, und nirgendwo anders. Da ist ein Weltmensch und Christ. Glaubt ihr etwa, er habe bloß von außen kommende Versuchung zu bestehen, und nicht zehnmal stärkere in seinem Inneren? Das versteht sich doch von selbst. Was sagt denn der hl. Paulus? Die Tugend wird in der Schwäche vervollkommnet. Ihr habt Versuchungen. Wollt ihr daraus schließen, ihr könntet nichts Gutes vollbringen? Ganz im Gegenteil, ohne Versuchung ist es unmöglich, wahrhaft Gutes zu wirken. Könnt ihr mit Versuchungen zusammen also Ordensmann sein? Ich sage euch: Ohne Versuchung ist es unmöglich, Ordensmann zu sein. Begreift das wohl, ein echter, ein starker Ordensmann zu sein. Was sagt der hl. Paulus? Womit vergleicht er das christliche und erst recht das klösterliche Leben? Mit einem Wettkampf, einem Ringkampf im Stadion, in der Arena.
Er, der zwei Mal im Leben bis zum dritten Himmel erhoben wurde, der so von Gott bevorzugt wurde, lest nur, was er in seinem Brief schreibt! All das endet mit der Versuchung, die ihm am schwersten fällt. Er bittet Gott, ihn davon zu befreien. Meine Gnade genügt dir, ist Gottes Antwort, denn die Tugend vollendet sich in der Schwachheit. Und der hl. Stifter sagt irgendwo: „Wer nicht versucht wird, was weiß denn der?“ Uns so die größten Theologen, z.B. der hl. Alfons von Ligouri mit seiner Lehre, der die wunderbare Lehre vom Probabilismus verkündet hat, die einem in der Seelsorge so sehr hilft, und in schwierigen Gewissensfällen bei der Ausübung der Seelsorge eine so umfassende und befriedigende Regel an die Hand gibt. Er hatte selbst sehr große Versuchungen. Seht nur sein Leben an: Woher nahm er die trefflichen Lehren, was zu tun ist, um zu kämpfen, und zu siegen? Er hatte all dies in seiner eigenen Seele studiert. So wusste er, was zu tun ist und hat sich darüber Rechenschaft abgelegt.
Habt also gerade in der Versuchung und in ihr vor allem guten Mut! Verliert diesen Mut nicht beim ersten Kampf, nicht beim zweiten, nicht beim hundertsten, und beim tausendsten, also überhaupt nie! Tragt Gott die Bitte des hl. Paulus vor, wenn ihr wollt. Hält Gott euch nicht für fähig, die Versuchung zu überwinden, so wird er sie zum Schweigen bringen. Im andern Fall wird er euch antworten, wie er dem hl. Paulus geantwortet hat.
Bewahrt diesen starken Mut auch nach einem Fall. Das will nicht heißen, das Versagen sei eine gute Sache, die man nicht bereuen müsse. Ein Sündenfall bleibt immer ein Übel, ein Unglück. Es kann aber wiedergutgemacht werden. Das kann freilich nicht vorher geschehen, sondern erst nachher. Man wirft auf Gott einen Blick der Reue, des Vertrauens und der Liebe, und dieser Blick ist ihm so angenehm, dass manche Heilige gesagt haben, dieser Blick gebe der Seele nicht nur die vorige Unschuld zurück, sondern vermehre noch ihre Kraft. War der hl. Petrus nach seiner Verleugnung dem Herzen Jesu etwa weniger teuer? Und von den beiden Schwestern, die im Hause des Lazarus wohnten, welche liebte Jesus mehr? War es nicht die, der er mehr verziehen hatte? Mut also selbst nach einem Fall, Mut, damit wir Gott ein reuiges Herz zurückbringen, das in seiner früheren guten Gesinnung erneuert wurde.
Welches Mittel haben wir nun, um diesen so notwendigen Mut zu besitzen? Unser hl. Stifter gibt uns im Direktorium ein ausgezeichnetes Mittel an die Hand, nämlich unseren Herrn selbst in der Prüfung, die über uns kommt, nicht aus den Augen zu verlieren. Haben wir in Punkto Liebe zu kämpfen, begegnen wir Undankbarkeit, Missgunst, Verleumdung und Ungerechtigkeit, so nehmen wir das Kreuz unseres Herrn zur Hand, betrachten, was er gelitten hat während seiner Passion. Halten wir den Blick, den er nach dem Wort des hl. Stifters auf uns werfen wird, wird uns zur Hilfe und zum Trost gereichen. Dies ist das Mittel, das uns das Direktorium nennt.
Ein weiteres Mittel, ebenso sicher, ebenso begründet und gewiss, ist der Gehorsam. Der Ordensmann empfängt von dieser Seite ein gewaltiges Privileg: Ihm bleibt dadurch nämlich die Verantwortung für sein eigenes Handeln erspart. Immer, wenn ein Ordensmann etwas aufgrund des Gehorsams unternimmt, handelt er gut, ja sogar sehr gut. Welcher Weltmensch oder Weltpriester kann sagen: „Alles, was ich tue, ist gut?“ Das konnte nur ein einziger: Jesus Christus: „Wer von euch kann mich einer Sünde überführen?“ Der Ordensmann kann wie Jesus antworten, solange er im Gehorsam steht: Was ich da tue, ist gut, ist sehr gut, ja ausgezeichnet. Mein ganzes Leben ist eine einzige Folge von guten Taten. Wie sollte ich da nicht voller Mut sein, da ich nur vollkommene Akte setze? Genau dahin führt der treue Gehorsam.
Da ist ein Ordensmann, der von Skrupeln und Unruhe geplagt wird. Er geht zu seinem Oberen, seinem Novizenmeister. Er setzt ihm seinen Zustand auseinander. Der Obere sagt ihm: „Gehen Sie ruhig zur hl. Kommunion, steigen Sie ruhig den Altar des Herrn hinauf!“ Welche Sicherheit und Standfestigkeit festigt das doch dem Ordensmann, der fürderhin ohne Gewissensbisse dahingehen kann. Wenn man so gestützt und gehalten wird und nicht für seine Taten die Verantwortung trägt, kann man wahrlich guten Mut haben.
Fügen wir also, wie man zu Zeiten des hl. Paulus tat, unseren geflügelten Worten jene zwei weiteren hinzu: Habt guten Mut! Und: Tun wir mit leidenschaftlicher Hingabe das, was wir tun. Der gute Mut begründet in uns den Frieden, die Heiterkeit, er schenkt uns große Stärke. Der Christ und selbst der Priester schwanken oft in seinen guten Entschlüssen, seine Überzeugungen gleichen oft einem Haufen Sand, der sich abflacht oder alle sonstigen Formen annimmt, die man ihm gibt. Der Ordensmann dagegen hat Sicherheit und Festigkeit, er widersteht allem und behauptet sich gegen jeden Angriff. Lasst uns so sein, dann gibt uns Gott die Kraft, wahrhaft seine Diener zu sein, Diener der Epoche, in der wir leben.
Bedenkt nur, meine Freunde, wie schwierig das Apostolat heute wird. Was bringt es denn noch hervor? Ich denke da an das Wort, den Dienst der Predigt. Ein Beispiel: Vorgestern, Sonntag, waren zwei ganze Menschen in der Kirche zu St. Parres, eine Frau, und ein kleiner Junge. Man kann annehmen, dass die Frau die Angestellte des Pfarrers war und der Junge ein Ministrant. So sind die Tatsachen. Und doch geht es um die Seelen, die Gott retten will. Wir müssen die Mittel zu ihrer Rettung ausfindig machen. Man rät zum Seeleneifer. Das ist sehr schön, aber wo sind sie denn, diese Seelen? Wo sie suchen? In so einer Zeitepoche, meine Freunde, leben wir. In solch einem Augenblick hat Gott uns auf die Erde gesandt: In einer Ferne von jeder Religion, von jedem Gottesdienst. Wie sollen wir da an die Seelen herankommen?
Franz v. Sales verrät uns den Weg. Er besteht darin, dass wir selbst heilig werden. Unser lebendiges Beispiel, der Wohlgeruch unseres Herrn ist das Mittel, um bei den Menschen Erfolg zu haben, die weder Dogma noch Moral kennen oder nicht viel davon, wenn wir annehmen wollen, dass davon noch irgendetwas zurückgeblieben ist. Der Wohlgeruch unseres Herrn allein kann da noch eine Wirkung hervorbringen. Ein Duft drängt sich auf, macht Eindruck auf den Geruchssinn, überfällt die Nase, man erleidet ihn einfach. Ihr habt gehört, was bei den Römern passierte, wenn der Kampf gefährlich wurde. Sie benutzten ein unfehlbares Mittel, um den Feind zu besiegen: sie machten die Schildkröte nach. Alle Soldaten legten den Schild auf ihren Kopf so, dass ein Dach gebildet wurde, das Pfeile, Steine, Wurfspieße nicht durchdringen konnten. Wenn ein Armeekorps „Schildkröte machte“, galt es als uneinnehmbar und kam mit heiler Haut davon. Vereinigen auch wir unsere Kräfte und unsere Willen. Eine kompakte und durch die Liebe geeinte Gemeinschaft kann nicht aufgerollt werden. Das ist der Fall bei uns hier, und ich danke Gott jeden Tag für unsere unzertrennliche Einheit. Pflegen und vertiefen wir diesen Zusammenhalt mehr und mehr, dann sind wir unverwundbar!
Dieses Wort des hl. Stifters wurde auch zu einem Lieblingswort der Guten Mutter. Sie sagte oft: „Mut tut uns not.“ Und ihr Gebet begleitete gewöhnlich dieses Wort. Und man ging, getröstet, gestärkt und ermutigt von dannen. Betet darum innig während dieser Exerzitien. Möge unser Herr uns wirklich als Freunde behandeln. Möge er uns geben, was wir bei ihm zu suchen in diesen Einkehrtagen gekommen sind: Stärke, Mut, Einheit des Wollens. Die Mittel sind auf seiner Seite, sie gehören ihm. Empfangen wir, was er uns anbietet. „Ich bekomme aber nichts!“ Nun, dann bleibt eben in dieser Entblößung und betet sie an. Das Nichts wirkt überraschend große Dinge. Die Exerzitien wirken durch und aus uns selbst, das wollen wir nicht vergessen. Erst nachdem die Israeliten die Wüste durchwandert hatten, kamen sie ins Gelobte Land.
Bitten wir die Gute Mutter, dass wir wahrhaft ihre Söhne werden, dass wir in ihren Geist in Wahrheit fest gegründet seien. So finden wir den Himmel, wo wir den Lohn empfangen werden je nach der Weite unseres Herzens, unseres Mutes, unserer Liebe und nach der Weite des Raumes, den wir in unserem Herzen dem Herrn eingeräumt haben.