Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 01.06.1892: Über das Sakrament der Buße (Teil 4)

Ich komme noch einmal auf das zurück, was ich kürzlich sagte. Voraussetzung für eine gute Beichte ist das Gebet des Beichtvaters während der Beichte. Das Leben eines Oblaten sollte ja eine ununterbrochene Teilnahme am Leben Gottes sein. Diese Gottvereinigung bedeutet keine Ermüdung des Geistes. Man lässt sein Herz und seine Seele einfach in Gott hineinfallen, und das besonders bei der Beichte. Eine mit Gebet durchwirkte Beichte bringt selbst bei großer Ermüdung mehr Frucht hervor als eine ohne Gebet, die mit allen Hilfsmitteln der Natur gespickt wäre. In der Ermüdung im Beichtstuhl, die man Gott aufopfert, liegt große Verdienstlichkeit. Wir wissen, wie schwer es ist, in der Beichte sich so vielen unangenehmen Dingen, bis ins Einzelne gehenden Prüfungen der Gewissen und einer unablässigen Aufmerksamkeit unseres Geistes unterwerfen zu müssen. Diese Mühen mögen hin und wieder von kleinen Tröstungen unterbrochen werden. Diese kommen uns aber kaum recht zum Bewusstsein. „Mein Gott“, müssen wir dann sagen, „gib Du mir alles, was ich brauche“, und der liebe Gott teilt sich im Beichtstuhl in reichem Maße mit. Wir sahen, welche Bedeutung dabei der Klugheit, dem Seeleneifer, der Liebe und der Diskretion zukommt, um all die Mittel zu gebrauchen, durch die man die Seelen rühren kann. Das Hauptmittel ist und bleibt aber das Gebet. Ihr könnt feststellen, dass ihr immer erhaltet, um was ihr bei der Beichte bittet, wenn ihr diese oder jene Seele Gott anempfehlt. So handelten die Heiligen: ein hl. Bernhard, hl. Alfons, unser hl. Stifter. Sie wollten im Beichtstuhl nicht bloß tüchtige Theologen sein. Die theologischen Grundsätze dienten ihnen nur als Gewebe und Basis für das, was sie zu sagen und zu raten hatten. Das Gebet allein ruft das Licht, die Einsprechung Gottes, den guten Entschluss hervor, damit das theologische Wissen zur Tat führt. Gerade der Geist des hl. Franz v. Sales wie der des hl. Alfons v. Ligouri tut den Seelen unserer Zeit so gut! Die Söhne des hl. Alfons, die Redemptoristen, haben soeben in Troyes eine wunderbare Volksmission abgehalten, die ausgezeichnete Früchte hervorbrachte. Warum das? Wegen ihrer Grundsätze. Würden sie anderen Grundsätzen huldigen, wäre der Erfolg gleich Null. Die Pikuspriester – ich schätze sie sehr, sind ja unsere nahen Verwandten. Dennoch will ich hier meine Meinung sagen – haben in der Diözese Troyes 1825 ebenfalls eine große Volksmission abgehalten, die etwas Gutes, ja sogar viel Gutes gewirkt hat. Sie hielten viele Volksmission ab, und viele Ortschaften wie Arcis, Bouilly, etc. bekamen neuen Auftrieb durch sie. Wären sie aber im Jahr 1892 mit den gleichen Grundsätzen wie damals zurückgekehrt, hätten auf die gleiche Art beichtgehört – man hätte sie gelyncht. Zweifellos hätten sie ihre Methode ändern müssen, wären mir größerer Vorsicht zu Werke gegangen, um die Überzeugung ihrer Zuhörer nicht zu verletzen und hätten sich ausschließlich dem gewidmet, was die Seelen rettet. Wenn man einem Ertrinkenden ein starkes Seil und einen dünnen Faden zuwirft, kann man ihn dann etwa daran hindern, dass er nach dem Faden greift, wenn er das Seil nicht sieht oder nicht ergreifen kann? Die Redemptoristen verdanken ihren großen Erfolg dem Umstand, dass sie die Doktrin des hl. Alfons treu auf die Beichte und die Predigt anwandten. Sie wählten vorzugsweise die übernatürlichen Mittel, das Gebet. Dadurch wurden ihre Predigten fromm, überzeugend und fanden den Weg zu den Herzen der Zuhörer.

Unsere Patres, die beichthören, finden hier eine große Lehrweisheit. Dasselbe gilt von der Predigt. Ich will bei diesem Punkt etwas verweilen. Es ist notwendig, dass unsere (Priester)-Novizen und jungen Patres ihre Predigten wörtlich niederschreiben und sie auswendig lernen. Ihre Predigten sollen sich auf solide Lehre stützen und nach allen Regeln der Redekunst aufgebaut sein. Darauf können wir nicht verzichten. Sie müssen sich gründlich ausbilden und in der rechten Richtung weiterentwickeln für die Zukunft. Die Grundregel der Predigt aber ist die, dass man für die Menschen predigt, die unter unserer Kanzel stehen, und ihnen das sagen, was für sie passt. Man verlöre seine Zeit, würde man ihnen etwas aus Predigtbüchern vorsetzen – es sei denn, wir wären Heilige. In jedem anderen Fall aber würden sie nicht zuhören und nicht verstehen. Es wäre für sie Hebräisch. Diese Anfangsstudien dürfen nicht unterlassen werden, genauso wie man als junger Student zuerst die Grammatik lernen muss, weil sie die Grundlage für alle literarischen Studien abgibt. Sonst würde alles, was man ohne diese Vorstudien fürs Predigtamt unternähme, zusammenhanglos und unsolide wirken. Es entbehrte der Ordnung, der Logik und des Interesses, es fehlte ihm einfach der Gehalt. Legt darum eine gesunde Basis, ein solides Fundament.

Bringt Logik in eure Rede. Und vergesst nicht, den Leuten, zu predigen, die unter eurer Kanzel stehen. Sagt ihnen Dinge, die für sie passen. Ihr haltet z.B. eine Predigt zum Fest des Pfarrpatrons – ich schweife etwas ab – würdet ihr bei solcher Gelegenheit über das Gebet predigen? Wer würde euch da zuhören? Das könnte nur banal wirken. Um auf die Beichte zurückkommen: wendet darauf genau die Lehren des hl. Franz v. Sales und des hl. Alfons an. Die Sakramente sind für die Menschen da… Ein zweifelhaftes Gesetz verpflichtet nicht… Ein Beweis für die Richtigkeit dieser Grundsätze sind die Erfolge der Redemptoristen. Sie haben in ihrer Seelsorge nicht eigene Ideen verwirklicht, sondern die ihrer Kongregation, richten sich nach den zuverlässigen Vorschriften ihres hl. Stifters, und so haben sie Erfolg. Tun wir desgleichen! Lassen wir uns von den Lehren und Weisungen unseres hl. Gründers leiten. Seine Lehren haben vor allem anderen die Billigung Roms erhalten, denn sie sind zuverlässig und unfehlbar.

Ich muss mir jetzt etwas Luft machen, indem ich Nachteiliges über den lieben Nächsten sage, das tut mir gut: Ich kenne hier in Troyes ein Original, einen Juristen, der im Übrigen ein guter Christ und sehr fromm ist. Da hatte jemand testamentarisch eine Erbschaft hinterlassen. Um nun sicher zu gehen, ob diese Erbschaft rechtmäßig erfolgte, muss man nach diesem Rechtsgelehrten das Gesetzbuch und nicht das Evangelium befragen. Denn nicht unser Herr und Gott ist Meister, sondern das Gesetzbuch. Eine fromme Person hinterließ also beim Sterben dem Papst eine Erbschaft von 400.000 Franken. Nun fordert man unseren Gewährsmann, den Rechtsgelehrten, auf, seine Meinung dazu zu äußeren. Er verkündet: Das Vermächtnis entspricht nicht dem Gesetzbuch, also ist es hinfällig. Man fragt in Rom nach und erhält den Bescheid: der Wille des Erblassers ist entscheidend, das Geld gehört dem Hl. Stuhl. Man ignoriert die Entscheidung, übergibt das Geld einem alten Verwandten. Der baut sich dafür ein Schloss und richtet sich zugrunde, indem er das ganze Erbe mit Frauenzimmern (Anm.: „im französischen im Sinne von ‚Hure‘“) verprasst.

Seid darauf bedacht, in der Seelenführung die euch anvertrauten Seelen nach dem Wunsch des hl. Franz v. Sales und der Guten Mutter zu einem Leben der Innerlichkeit und der Heiligkeit zu führen. Die Lehre der Guten Mutter hat bisher noch keine Widersacher gefunden, und ihre Schriften wurden in Rom approbiert. Wir bewegen uns somit in voller Sicherheit, wenn wir uns an ihre Grundsätze halten. Befolgen wir also blind die Weisungen des hl. Franz v. Sales, wenn wir als Richter oder Beichtväter zwischen Gott und den Seelen vermitteln müssen. Beten wir, wie Franz v. Sales und die Heiligen es getan haben. Ich erinnere mich, als ich ins kleine Seminar von Troyes eintrat, eines betagten Priesters, der dort Ökonom war. Er hatte seine Priesterweihe schon vor der französischen Revolution empfangen. Ich wählte ihn zu meinem Beichtvater. Beichtete man bei ihm, so hatte man unweigerlich das Bedürfnis aus Reue zu weinen. Und so leichtsinnig man auch war, man fragte sich nachher unwillkürlich voller Bewunderung: Was hat er dir nun eigentlich gesagt? Gar nichts Besonderes, und doch brachte es solch eine ungeheure Wirkung hervor. Aber, im Ernst, was hat er dir gesagt? Ich hatte gebeichtet, dass ich einen Apfel stibitzt hatte… Aha, er war ja der Ökonom des Hauses. Durchaus nicht. Er hat mir ganz einfach gesagt: Man darf keine Äpfel stehlen. Und ich bekam fast einen Weinkrampf. Ich spürte einfach, dass das ein Vergehen war, das dem lieben Gott missfiel… Dieser gute heilige Mann verstand es nämlich, für seine Beichtkinder zu beten.

Abbé Fontaine schrieb einmal in einem Kalender eine kurze Notiz über den Pfarrer von Chaource, Herr Martineau. Diese Glosse ist ein Meisterwerk. Noch diese letzten Tage las ich sie durch und hatte Tränen in den Augen. Ich kannte nämlich diesen Pfarrer und kannte auch einige seiner Beichtkinder, die mir erzählten, dieser Beichtvater habe sie so tief beeindruckt,, dass sie lieber nach Troyes beichten gingen, wenn sie ihm ungehorsam geworden waren und einen gröberen Fehler begangen hatten. „Nicht als ob wir vor ihm Angst hätten“, beteuerten sie. „Aber dem guten Herrn täte es einfach zu wehe… Er betet dermaßen viel für uns.“ Da könnt ihr sehen, welche Gefühle des Glaubens er ihnen einzuprägen verstand, die so tief drangen und sie so aufwühlten. Und betrachtet nur, wie gut diese Pfarrei geblieben ist. Herr Martineau war kein strenger Beichtvater. Im Äußeren wirkte er etwas originell, aber dieses Äußere verbarg große Frömmigkeit und eine Liebe zu den Seelen, die ihm die Herzen aller gewann. Gewiss ist Heiligkeit und Gebet nicht erforderlich zur Gültigkeit eines Sakramentes, aber von welchem Nutzen sind sie zu seiner vollen Wirksamkeit! Sicher ist es nicht leicht, ein Heiliger zu werden, aber leicht ist es zu beten, Buße zu tun und zu sagen: „Mein Gott, gib Du mir das rechte Worte ein, das für diese Seele passt. Erleuchte mich und sie!“

„Was die Ratschläge betrifft, die sie im Allgemeinen den Beichtenden erteilen sollen, so werden die nützlichsten… die folgenden sein…“

Sehr oft beichten und kommunizieren. Unser hl. Stifter empfahl die häufige Kommunion zu einer Zeit, als dies durchaus noch nicht üblich war. Ich füge eine eigene Überlegung diesem Rat unseres Gründers bei: die hl. Kommunion ist immer gut und nützlich. Wird sie aber leichtfertig, ohne Vorbereitung und Danksagung empfangen, als wäre es irgendeine beliebige Handlung, so werde ich nie den Rat geben, die Seelen anzuhalten, ohne vorher genau zu unterscheiden. Gewiss bringt die Kommunion aus sich selbst stets eine gewisse Wirkung hervor, wenn sie gut empfangen wird, dennoch bedarf es gewisser Dispositionen, wenn sie uns Nutzen bringen soll. Die hl. Kommunion darf man nicht austeilen wie ein gewöhnliches Brot. Gewiss ist sie unser tägliches Brot, aber auch das „verborgene Manna“. Man legt es nicht auf den Tisch, damit es jeder beliebige nehme, sondern man muss es im Geheimnis des Tabernakels und im Heiligtum des Herzens erwerben. Es darf nur jenen enthüllt werden, die seiner würdig sind. Für die häufige Kommunion gibt es theologische Vorschriften, an die wir uns halten müssen. Verlangen wir immer eine gewisse Vorbereitung und einen gewissen Fortschritt, eine Besserung… Wenn ihr einen jungen Mann oder ein Mädchen beichthört, so besteht darauf, die hl. Kommunion durch eine gute Vorbereitung gleichsam zu verdienen! Sie sollen etwas Besonderes in dieser Absicht tun. Nur unter dieser Bedingung werden sie wirklichen Nutzen daraus ziehen.

„…einen guten und ständigen Beichtvater wählen…“

Unser hl. Stifter fordert uns sogar auf, ihn unter Zehntausend zu wählen… Fehlt aber diese Möglichkeit der Wahl, so lehren wir die Seelen, sich mit dem zu begnügen, den sie haben. Als ich noch Hausgeistlicher bei der Heimsuchung war, hatte ich nicht gern, wenn die Zöglinge während der Ferien bei einem anderen als ihrem eigenen Pfarrer zur Beichte gingen. Es kommt vor, dass man gegen ihn eine kleine Abneigung hat oder die Familie mit ihm überworfen ist – dagegen habe ich immer gekämpft. Ich sagte zu den Mädchen: der Pfarrer hat von Gott die Standesgnade. Auch gab ich zu bedenken, dass die Wirkung der Beichte nicht so sehr an der Person des Beichtvaters hängt als an der Disposition des Beichtkindes. Ich kämpfte immer gegen das Vorurteil an, das dem Seelenführer einen übertriebenen Raum im Leben zugesteht, sodass man nur den eigenen Seelenführer und seine Leitung hochschätzt und alles Übrige verachtet. Unser großer Seelenführer ist der Heilige Geist, seine Führung übertrifft alle anderen. Habt ihr Gelegenheit, bei irgendeinem beliebigen Beichtvater zu beichten, so tut es mit Demut und Gelehrigkeit, und ihr werdet reiche Gnaden empfangen.

„…Predigten und Unterweisungen beiwohnen, gute Bücher haben und lesen…“

Ratet dringend zur guten Lektüre! Man soll nicht dazu anhalten, dass man viele und lange liest, sondern jeden Tag etwas, wenigstens einige Verse aus der „Nachfolge Christi“. Früher drang man sehr darauf zu betrachten. Heutzutage hat man damit wenig Glück. Vorteilhafter ist es, die einfache Übung der Vorbereitung auf den Tag anzuempfehlen: Voraussehen, was man im Laufe des Tages zu tun hat und schon beim Aufstehen sein Tagewerk mit dem lieben Gott in Verbindung, zurechtlegen. Dann macht man eine kurze fromme Lesung und zieht daraus seinen Nutzen. Diese Lesung sei unsere Mine, unser Steinbruch: vielleicht braucht ihr heute weichere Steine, ihr findet sie hier. Oder morgen härtere, ihr findet sie da. Dort liegen Bruchsteine und gröberes Baumaterial bereit. Sammelt genau das, was euch nottut und bringt Ordnung in das Lesematerial. Dann macht ihr euren Bauplan, indem ihr euch genau an die Ratschläge und Anweisungen haltet, die das Institut und der hl. Stifter uns geben.

Heute haben wir neue Patres im Kapitel, sie seien uns herzlich willkommen. Sie mögen sich gut an unsere Art zu denken und zu handeln gewöhnen, damit wir wirklich ein Herz und eine Seele bilden und nur einen Willen haben im lieben Gott.